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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Pecht, Friedrich: Die erste Münchener Jahres-Ausstellung 1889, [7]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0018

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2 Die erste Münchener Iahres-Ausstellung t88y. Vll. kandschaftliches
Glut eines Sonnenuntergangs bei Sirocco noch höchst unheimlich gesteigerten, drohenden Pracht. — Beiden
Vorgängen gegenüber fühlt der Mensch seine vollkommene Machtlosigkeit und jene Unterwerfung, die uns dem
Überwältigenden gegenüber immer erfaßt. An männlicher Kraft und tiefem Ernst ist Wenglein noch überlegen,
dagegen gibt Knüpfer die weibliche Tücke, das Schmeichelnde der Flut merkwürdig reizvoll wieder.
Nach ihm hat Schönleber das an ein Städtchen der Riviera brandende Meer mit großer Feinheit,
wenn auch nicht mit so zwingender Stimmung gegeben. — Ja ich kann mir nicht helfen, daß ich Ciardis
Lagunenbilder immer noch viel wahrer und selbst reizvoller finde, als alle Darstellungen Italiens von Deutschen.
Selbst Oswald Achenbachs Neapel ist zwar eine höchst reizende Farbenphantasie, die aber doch
mehr an Rubens als an das Tyrrhener Meer erinnert. Ohne Zweifel hat eine solche geistvoll freie Variation
über ein gegebenes Thema ihr entschiedenes künstlerisches Recht, aber überzeugend wirkt sie selten. Da finde
ich sogar das Capri oder Castellamare Berningers oder Unterbergers „Torre del Greco" viel wahr-
scheinlicher und keineswegs verdienstlos, ja das erstere gibt die Reize der dortigen Vegetation sehr treffend
und pikant wieder. Oder muß man denn durchaus roh, öd und langweilig sein wie so viele andere, um
den Süden malen zu dürfen? Eine solche Farbenphantasie, überdies hochromantischer Art, gibt Böcklin in
seinem an das Castell von Jschia erinnernden, von Seeräubern überfallenen „Schloß am Meer", traumhaft
und sogar ein wenig theatralisch vielleicht, aber ganz gewiß poetisch! Ludwig Dills bei Sirocco abfahrendes
Fischerboot kennen die Leser der „Kunst für Alle" schon, es bewährt auch hier seine Kraft der Stimmung.
Recht geistvoll gibt dann Hartwich einen Saumweg am Monte Bartolommeo, und Hans Hermann bei
dem „Ponte della veneta marina" die Lichtfülle aller venezianischen Landschaft, was man auch Rubens „Über-
fahrt in den Lagunen" nachrühmen kann. Schindlers Brandung bei Ragusa ist sehr lebendig, könnte aber
genau ebenso in den Lofoten Vorkommen. Das gilt ungefähr auch von Zoffs übrigens sehr tüchtigem Hafen
bei Spezzia, womit denn alles Erwähnenswerte aus dem Süden erschöpft wäre, soweit es Deutschen gehört.
Das ist wenig, hängt aber damit zusammen, daß unsre Malerei jetzt allen schönen Gegenden aus dem Wege
geht, was ihr oft nur zu gut gelingt. Poussin, Claude und Rortmann dachten darüber anders, aber unsre
jetzige Landschaftdarstellung ist wesentlich Stimmungsmalerei und dazu paßt der Süden mit seinen strengen
klassischen Formen überhaupt nicht recht. Daß sich in ihr aber auch auffallend weniger junge Talente aufthun
als in der Figurenmalerei, das hängt doch recht sehr mit der unvernünftigen Mode der Freiluft- und Grau-
malerei wie des Impressionismus zusammen. Sie haben nicht nur schon eine Menge vielversprechender Be-
gabungen gehemmt und verdorben, sondern stehen auch selbstverständlich, wie jede Mode, aller individuellen
Entwicklung hindernd im Wege. Die Herausbildung des Persönlichen, Eigenartigen ist aber ja gerade die erste
Bedingung der Meisterschaft. Der Nachahmer ist darum allemal verloren. Da kommen denn so unglaubliche
Verirrungen, wie der von der Hängekommission offenbar als warnendes Beispiel ganz vornhin gehängte „Alte
Waldhüter" des Herrn v. Gleichen-Rußwurm, der früher ein ganz talentvoller Maler war, oder Reinigers
„Abend", der nicht nur eine Öde darstellt, sondern auch von oben bis unten ganz gleich öde und langweilig
gemacht ist. — Überhaupt kann man sagen, daß wenn ein Bild weder gut erfunden noch gezeichnet oder
gemalt sei, so nenne man das „Impressionismus".
Um so wohlthuender berührt dann eine so solide Meisterschaft und zwingende Gewalt der Stimmung,
wie sie in Willroiders herrlicher „Eichenlandschaft" oder seiner „Gewitterstimmung" zu tage tritt, beides
Bilder von einer solchen Kraft und Einheit des Tons, aber auch ernsten Schönheit der Zeichnung, wie sie
der Meister vielleicht noch nie erreicht hat und darin von keinem andern in der Ausstellung überboten wird. —
Selbst von H. Baisch nicht, der diesmal bei seinem großen Frühlingsbild trotz der sehr schönen Komposition
und der meisterhaft gemalten Luft wie prächtigen Viehherde doch eine eigentliche Stimmung nicht erreichte. Das
liegt bloß daran, daß er der Graumalerei zu große Konzessionen machte und darob Kraft und Einheit des Tons
verlor. — Daß wir diesmal so viele Frühlingsbilder zu sehen bekommen, hängt offenbar mit der neu erwachten
Leidenschaft unsrer Maler für das Spinatgrün zusammen. Zwar teilt sie Tina Blau noch nicht bei ihrem
Apriltag oder der reizend feinen Landschaft an der Donau, so wenig als Th. Schütz bei seinem köstlich durch-
gefühlten, obwohl etwas zu farblosen schwäbischen Frühlingsmorgen, oder Weng lein bei seinen vier Bildern
der Jahreszeiten. Um so mehr aber stöhnen ihr Jeanna Bauck in einer sonst sehr liebenswürdigen „Frühlings-
landschaft an der Seine", Buchholz in Weimar bei einem „Vorfrühling", Buttersack bei einer ziemlich
öden Ebene, Flad mit einer Schleißheimer Allee, Gietl auch bei einer Münchener Ebene mit sehr feiner
Luftperspektive, die auch Keller-Reutlingens blumenreiche Wiese ziert, Remi v. Haanen, der sehr an
Ruysdael erinnert, Hofs in Karlsruhe in einem so blütenreichen Frühling, daß er fast wie ein Winter aus-
sieht, endlich Ritter in Dresden. Schlicht und fein ist ein Dämmerungsbild voll Stimmung von Eichfeld,
in welchem sich ein echtes Talent sehr erfreulich ausspricht, wie auch bei Flad und Kubierschky in Leipzig,
oder bei Kochanowskys Hochsommerabend. Treffliche Winterbilder geben Schmitgen und Fischer in
Berlin, Munthe und Liesegang in Düsseldorf, Thiele in seinem groß aufgefaßten „Winterabend im Hoch-
gebirge" und einem noch besseren „Hochwild im Winter". Vorwiegende Tierstücke geben dann Frey in seiner
„Viehweide an der Weser" und „Herde am Hochgebirgsee", die beide, obwohl zu unruhig, doch ein gesundes
 
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