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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Pecht, Friedrich: Die erste Münchener Jahres-Ausstellung 1889, [8.1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0037

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Die erste Münchener Iahres-Ausstellung 1889. VIII. Die fremden Nationen

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Leistungen brachten als voriges Jahr, dafür aber aus-
nahmslos gute. Unstreitig hat ihre Kunst eine gewisse
Ähnlichkeit mit der japanischen darin, daß sie vor allem
den feinsten Farbensinn ausbildet, was umso merkwürdiger
ist, als diese Maler alle nicht etwa in Amsterdam oder
dem Haag beisammen, sondern im ganzen Land zerstreut
wohnen und nur durch die gleichmäßige Anknüpfung an
ihre größeren Vorfahren und die Charakiercinheit zusammen-
gehalten werden. Leider hat ihr genialster Meister, Alma
Tadema diesmal nicht ausgestellt, und Israels Bild
habe ich schon besprochen, so bleibt mir von Figurenbildern
fast nur eine köstliche alte Dame übrig, die beim Thee die
Morgenzeitung liest. Das ist aber eine kleine Perle, die
Bakkerkorff alle Ehre macht. Alle übrigen Figurenbilder,
obwohl immer richtig empfunden, behandeln doch den Men-
schen hauptsächlich als Farbfleck, ohne tieferes Eingehen ans
seinen Charakter. So Artz in einem auf der Düne sitzendem
Liebespaar (s. Jahrg. IV, 375), das sich mehr durch gute Ge-
sundheit als tiefes Gemüt auszeichnet, was auch von Bis-
hops „Heiratsantrag in Friesland" gilt, der das Phlegma
der Betreffenden nicht im mindesten aufzuregen scheint.
Lufdrr wiese. Fragineiitzeichnung nach seinem Hlgemälde Romeo und Julia sind offenbar unmöglich in Holland I Als
Erste München-^ Farbflecke wirken auch Sadees „Sandhelmpflanzer" und
Pholograpl-ieocrl-g der pbowgraxhischen Union in München selbst bei S tr o e b e ls frühstückender Familie war es dem Maler
offenbar mehr um den guten Bilderton als um Charakteristik zu thun. So sind die Figurenbilder fast alle, und selbst
die köstlichen Landschaften geben kein Detail, so daß die prächtigen Ochsen des de Haas eigentlich am feinsten in-
dividualisiert sind. Obwohl auch sie alle große Familienähnlichkeit besitzen, und denselben satten, zufriedenen Zug
haben, wie die Mynheers selber. Auf den Landschaften dagegen ist es hauptsächlich Nebel und trübes Wetter, die uns
begegnen, nur auf Klinkenbergs reizendem Amsterdam scheint freundlich die Sonne und sind die Häuser alle frisch
gewaschen. — Diese Wasserverschmendung ist der Hauptunterschied zwischen diesem und dem großen Kanal in
Venedig, an den er sonst so auffallend erinnert. Einer der interessantesten Landschafter ist dann Apol, dessen
Sonnenuntergang im Walde ein ganz prächtiges Spätherbstbild ist, wie seine Straße im Winter durch ihre
Wahrheit überrascht und die „Fähre" durch den guten, übrigens ausnahmsweise auffallend an Daubigny
erinnernden Ton. Die meisten andern, wie der offenbar alternde Mesdag oder Le Mayenr und Hart
begaben sich ans Meer, auf dessen Düne der letztere die Kinder allerliebst spielen läßt. Oder sie gehen an
den Rhein und zeigen uns Windmühlen gleich Höppe, wie denn eine holländische Ausstellung ohne solche gar
nicht denkbar ist. Nur einmal wird die graue oder grüne Ebene unterbrochen durch van Luppen, der uns
an einen weites Hügelland dnrchschneidenden Fluß, wohl bei Lüttich, führt. — Dann geht es aber mit beiden
Maris gleich wieder an die Küste mit ihren wässerigen Wolken überm Meer. Von Mauve ist dann ein
ganz reizendes Winterbildchen da, mit unermeßlicher Perspektive über die Ebene hin und ein Kanalufer voll
träger Ruhe, während Sande Backhuyzen doch wieder einmal die Sonne auf sein Seeufer scheinen läßt.
Jeder dieser Maler aber hat seine Spezialität, die er mit der Solidität eines braven Handwerkers ewig wieder-
holt, aber auch durch diese freiwillige Selbstbeschränknng bis zur Virtuosität ausbildet. Das gilt selbst von
den prächtigen Rosen der Frl. Margarete Roosenboom, die alle auf demselben Stock gewachsen scheinen,
so daß man sie schon von weitem wiedererkennt, oder von den prächtigen Zitronen des Herrn Mesdag van
Honten und von Blommers frischen Seefischen. Der bedeutendste dieser Srilllebenmaler ist indes Joors,
dessen Vorbereitungen zu einem Punsch so verführerisch aussehen, daß sie zu allererst einen vornehmen Lieb-
haber fanden, obwohl sein mit Melonen u. dgl. gefülltes Fruchtstück noch malerisch reizender ist. So charakterisieren
sich denn die Holländer durchweg als solide Kanfleute, die seit Jahrhunderten dieselben prächtigen Artikel in
unverminderter Güte auf Lager führen.
Die wenigen Belgier sind meist ganz holländischer Richtung, nur um einen Grad sonniger und leb-
hafter. So Willems, dessen früchletragendes Mädchen ganz an die Allen anknüpft, und wie Courtens,
dessen prächtiges Hyazintenfeld als ein kühnes, aber glänzend gelungenes Farbenexperiment im Sinne des
Rubens erscheint. Oder sie sind französiert wie der in Paris wohnende Stevens, dessen Dame in Gelb
und Grün als koloristischer Versuch jedenfalls weit nicht so gelungen ist als der des Courtens. — Allerliebst
sind dann die Nachstellungen einer falschen Katze auf ein Kanarienvögclchen geschildert, dessen Unschuld wie
gewöhnlich nur durch den Käfig gerettet wird, was Frl. Ronner sehr einleuchtend erzählt.
 
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