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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Heilbut, Emil: Ferdinand Heilbuth
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0223

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Einige Bilder aus dem Leben der Adelsfamilien auf dem Lande: unter blühenden Büschen, auf einer
Rundbank, die Mutter, der Sohn, und der Erzieher, — hinten in der Atmosphäre der anfsteigende Rauch
aus dem Hause, die ragenden alten Türme der romanischen Kirche. In solchen Szenen gibt Heilbuth mit
derselben Diskretion und Noblesse, wie auf der Seine, die Individualität von hübschen Frauen, um etwas
Vornehmes vermehrt, etwas dekoloriert aber sehr großartig, stilvoll, simpel, wieder... Das Theeservice ist
von Silber und im besten, einfachen Geschmack. Der Gesellschaftston ist heiter, sorglos, nicht übermütig, be-
friedigt. Generationen dieser Familie haben so vorher im Garten gelebt; nie trat die Sorge, nie etwas
Unreines an sie heran: und sie sind hell, freundlich und liebenswürdig, alle mitsammen. Einige Szenen von
mehr ruralem Charakter (doch nicht zu sehr: immer noch „charmant"). Fromme Schwestern, die im Hofe eines
stillen Gutes mit einem Säugling scherzen, sein Hund hält neben ihm, hinten sind zwei Wärterinnen, auf
Stühlen... (obwohl man alle diese Details bemerkt, sind doch nicht sie die Hauptsache, sondern der Ton ist
die Hauptsache, der über dem ganzen, alles „Anekdotische" aufhebend und ganz gleichgiltig machend, ruht).
Ebenso ist es der Ton, der ein sehr reizvoll in seinen Licht- und Schattenmassen bewegtes Bild vom Lande
beherrscht, wo sich eine Frau, pflückend, zum Boden hinnnterbeugt. Dies Bild ist hervorragend reizvoll in
seinem Tone. Endlich eine Dame — Heilbuths „spezielle Spezialität" wieder — in weißem Hut, weißem Kleid
und schwarzen Handschuhen und mit einem dunklen Umschlagetuche, welches sich vom Hellern Flusse absetzt,
auf einem gefällten Baume sitzend, an den sie das Sonnenschirmchen lehnte und uns, mit jenem Lächeln, das
nicht immer einen Grund hat, doch immer einen Reiz... in dieser Landschaft betrachtend, in welche sie selbst
so trefflich hineinpaßt. Die Harmonie der Teile: das ist das Verdienst von Heilbuths Bildern (und ein
wenig auch die Gefahr derselben). Sie sind nicht grandios; aber der Maler, der sie schuf, war feinbegabt und
etwas hingenommen von den Reizen kultivierter Flußniederungen, feinsinniger und echt aristokratischer Theeservice
auf Tischen im Freien, gut und vornehm aussehender Damen eines gewissen Alters. Reizende Knaben im
Alter von zwölf Jahren und mit den Haaren u In Edouard, stellt er dar, kleine Kinder, die in der Landschaft
wie dicke weiße Blumen sind, und endlich die Pariserin von 22 bis 80 Jahren, welche die Natur liebt und
Ausflüge nach Bas Meudon, St. Cloud und Asnieres in Hellen Kleidern macht, sobald die Sonne scheint
und sie Zeit hat. Man fährt von dem Bahnhof St. Lazare ab und gelangt bald zur Seine.
Mehr als ein andrer unter den Fremden, mehr als Munkacsy (der als ein rt^LstuHuouörs«, ein
Brasilianer, ein exotischer Mensch mit lärmenden Manieren gilt), war Ferd. Heilbuth den Parisern — den echten
Parisern — genehm geworden. Sein Wesen war gentlemanlike — wie sein Haus, ein kleines, doch höchst
geschmackvoll erfundenes Hotel in der Rne Ampere. Im Speisezimmer, oder, wenn Sie wollen, Speisesaal
hatte man ein großes Fenster zur Seite, das nach dem Garten ging. Außen, im Garten stand eine große
blaue Vase. Um sie herum rankten sich die grünen Blätter. Und der Garten war reizvoll wie ein Aquarell.
Im Wohnzimmer waren Bilder von Corot, von Cazin, von Daumier — eine kleine Galerie. Man sah
auch eingerahmt ein Blatt von Meissonier mit einem Briefe, welcher begann: „Mein lieber Heilbuth", und
eine wunderbare Zeichnung enthielt. Das Atelier war groß, geräumig — etwas leer. Die Bilder, so schien
es, hielten sich nicht lange, nachdem sie fertig geworden, bei ihrem Maler mehr auf. Man sah wesentlich
immer nur ein Bild, dasjenige, das auf der Staffelei war, und einige Studien an der Kaminwand. Gobelins
— keine Bilder —- an den Wänden ... ein ernster Arbeitsraum, ohne leichte Eleganz, wenn auch ohne
schwere Schatten. Ruhig arbeitete der Maler; in einem hellgrauen Anzug, sitzend, einen Sommerhut auf dem
Kopfe. Er war sehr groß. Sein Fleiß war anhaltend. Die Eleganz seiner Bilder verrät nicht ganz, wie viel
Anteil sein ganzes Ich an ihrem Entstehen nahm, wie aufgeregt sein Herz bei ihrer Hervorbringnng schlug,
wie leidenschaftlich sein Pinsel nach Licht und Lust und leichten Sommertönen suchte. Das rang sich aus
seinem Herzen. Ich habe das beobachtet und kann es bezeugen. Und die Ritter, welche Liebesgedichte machen,
geben, wenn sie dabei lieben, ihr Herzblut, indem sie ihre Kunstwerke scheinbar nur glatt Hervorrufen.


Aus Julius Adams Lkizzenbuch
 
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