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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Perfall, Anton von: Dachstuben-Nachbarn, [1]: Novelette
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250 Dachstuben-Nachbarn. Novelette. von A. Frhr. v.
üppigen Gewächsen umrankte, schattige Bucht bilden, in
der die dunkelgrünen Wasser einer aus dem Gestein
hervorsprudelnden Quelle zu schlummern scheinen in
glühender Mittagshitze. Am Rande des Beckens sitzt ein
nacktes Weib, mit kindlicher Freude und Erstaunen im
göttlichen Angesicht, die Arme ausstreckeud nach zwei aus
der klaren Flut austauchenden Jünglingen, die olympisches
Lächeln auf den Lippen, ein seidenes Netz ihr entgegen
halten, auf dessen Grund ein Geschmeide blitzt. Eine
göttliche, leidenschaftslose, Ruhe lag über dem ganzen Vor-
gang, eine Einfachheit und Kindlichkeit der Auffassung,
eine traumhaft glückselige, harmonische Stimmung in der
Natur, daß jeder sinnliche Eindruck auf dem Beschauer
ausgeschlossen war.
Stephan beschäftigte sich nie mit der Kunst, die
leichtlebigen Kreise, in denen er verkehrte, fanden keine Zeit
dazu und erkannten nicht das einzig wahre Glück, das in
ihr ruht — doch das packte ihn, er wunderte sich selbst,
daß dieses nackte Weib seine Sinne nicht erregte, daß
nicht ein frivoler Scherz ihm auf die Lippe stieg, er
war es ja doch nicht anders gewohnt.
Er schwieg, er scheute sich, irgend eine der her-
kömmlichen Redensarten zu gebrauchen.
„Na, wie gefällts Ihnen?" fragte der Maler. „Sie
kennen sich wohl nicht recht aus, was das heißen soll,
nicht wahr? Ich will es Ihnen erklären —" Er griff
nach einem Buch, das vor der Staffelei lag. —
„Eine hohe, Helle, — hehre Sonnentochter —
„badete das Antlitz, — spielte mit den Wellen —
„Unter ihrem Spiele — streifte sich vom Finger —
„ihr der Ring, der goldene — in der Flut ver-
loren — war das edle Gut — Sonnentochter
„weinte — Gottes Söhne hörtens — kamen im
„Momente, — hielten in den Händen — feine
„Seidcnnctze — holten ihr das Kleinod — fischend
„aus der Flut-"
Seine Stimme klang wie Musik, sein Vortrag
schmiegte sich innig an die hohe Poesie des Gedankens.
Stephan wunderte sich immer mehr über das, was
er in der Dachstube sah und hörte und stammelte er-
rötend verlegene Schmeicheleien, die Stuckhans mit stillem
Lächeln entgegen nahm.
Hinter der spanischen Wand trat jetzt Diti hervor,
(Die Fortse

perfall — Lin neuer französischer Importartikel
eine schlanke, ebenmäßige Gestalt. Das schwere Haar war
in einen nachlässigen Knoten gewunden, die kleine Hand
nestelte an dem letzten Knopf an der Taille des Kleides —
die Sonnentochtcr! Dasselbe liebliche Lächeln spielte um
ihren zierlichen Mund, wie das am Bilde dort, das Gottes
Söhnen galt.
„Entschuldigen Sie", wandte sie sich an Stephan,
„aber die Sonnentochtcr sehnt sich nach einer Tasse Kaffee."
Stephan warf einen leichtfertigen, verletzenden Blick
auf das Modell, der jedoch derart abweisend, höhnisch
erwiedert wurde, daß er schamrot wurde.
„Fräulein Edith Baumann", stellte sie der Maler vor,
„meine Freundin, Frau Stuckhans binnen kurzem, wenn
diese Sonnentochter wirklich eine Sonnentochter für mich ist."
„Sein Modell vorderhand, mein Herr, ohne Um-
schweife", erklärte Diti.
„Sein künstlerisches Ideal, mein Fräulein", erwiderte
galant Stephan, „das ihn zu einer solch großartigen
Leistung begeisterte, wie sie in dieser elenden Dachstube
gemalt wird."
„Ideal!" Sie lachte silberhell und doch klang es
schmerzlich, „als ob Sie noch daran glaubten! Bleiben
wir nur beim Modell. Wissen Sie denn überhaupt, wie
man Modell wird — aus Idealismus nicht, wollen Sie
sagen — da haben Sie ja Recht, — aber auch nicht
immer aus Schlechtigkeit, wie Sie vielleicht glauben.
Trinken Sie mit uns eine Tasse Kaffee. — Peter sprach
einmal unvorsichtigerweise von einer künftigen Frau
Stuckhans — da möchte ich Ihnen doch erklären, wie
ichs wenigstens geworden — ein Modell! — Ihm zu
Liebe!"
Sie holte den Kaffee vom Ofen, rückte die ver-
stümmelten, verschiedenartigen Tassen auf den von un-
zähligen Gegenständen bedeckten Tisch zurecht. „Es dauert
nicht lange — nur so einige Schlaglichter und Drucker —
nicht wahr, Peter, ich habe es dir abgelauscht", wandte
sie sich an den Maler.
„Schieß los, Diti, wenn es auch mir zu Liebe nicht
nötig wäre. Was kümmert mich das Gerede der Welt!"
Er lehnte sich, die Beine weit vor sich hinstreckend, die
Hände in den Hosentaschen, zurück gegen den großen
Kachelofen und blickte mit zufriedenem, seligem Lächeln
auf das Bild,
ung folgt)

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/»i^ine Ausstellung von ca. 100 französischen Gemälden
bei einem deutschen Kunsthändler gibt uns Anlaß zu
nachfolgenden Auslassungen.
Wir. schicken voraus, daß wir die Superiorität der
französischen Meister anstandslos anerkennen, daß wir
selbst den minder guten Werken unsre volle Aufmerksam-
keit zuwenden und eher vor einem Bilde der akkreditierten
Künstler, das nichts gibt, bekennen: „Das verstehst du
nicht", als kopfschüttelnd das Wort fallen lassen, das die
unwissende rasch urteilende Menge hastig und freudig
aüsnimmt: „Das ist einmal wieder Unsinn!" Unsre
Bewunderung und vorurteilsfreie Anerkennung hat aber
eine Grenze und die liegt da, wo die Erkenntnis cinsetzt,
daß das Gebotene Speknlativnsware eines Händlers ist.

Dann tritt uns nicht mehr das Bild als schätzenswertes
Kunstwerk vor Augen, dann dürfen wir das minder Gute
nicht mehr als einen „Geniestreich" bewundern, dann
müssen wir vielmehr gegen die Zumutung, uns düpieren
zu wollen, Front machen und uns verpflichtet fühlen, den
Händler vor die Schranken zu fordern.
Die Führer des Geschmackes sind die Kunstmäcene,
die reichen Galeriebesitzer, das unterliegt keinem Zweifel.
Durch die Aufnahme eines Kunstwerkes in ihre Galerie
drücken sie demselben den Stempel des Wertes auf, der
zur Aufnahme in ihre Sammlung berechtigt. Die öffent-
lichen Museen sind weit weniger für die Wertschätzung
der Kunstwerke maßgebend, weil sie ihren Besitz teils der
Munifizenz von Kunstfreunden, teils dem Sondergeschmack
 
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