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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Brandes, Otto: Der Salon Meissonier, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0383

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von Dtto Brandes

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ihrer Toilette beschäftigt, während ihr eine andre Tän-
zerin, die bereits im schwarzen Gazckostüm ist, zusieht,
eine etwas starke Ungeniertheit. Der Körper ist vor-
trefflich modelliert. Sehr bemerkenswert ist Madame
Lemaires „Schlaf", eine Büsten- und Blumenstudie,
Carolus Durands „Lelia", die herrliche Rückensludie
eines jungen, rothaarigen Mädchens, welches der Künstler
in den letzten Monaten in allen möglichen Posen gemalt
hat und Rixens „Eingeschlafene", ebenfalls eine Büsten-
studie, aber vor allem „Die Toilette", eine vor dem
Spiegel ihr Haar ordnende Brünette, deren
Hüfte ein zum Herabfallen bereites Spitzen-
hemd bedeckt. Dieser Rücken ist warm-
blütiges, rosiges, jugendfrisches Fleisch, in
dem man den Lebenssaft pulsen zu sehen
meint. Die Accessorien, die fraisefarbene
Atlastapete des Ankleidekabinets, die auf dem
Toilettentisch ausgebreiteten Gegenstände sind
mit einer solchen Virtuosität behandelt, daß
man meint, den köstlichen Geruch des
Marechalpuder aus der Puderbüchse zu atmen.
Friant malt zwei nackte, vor dem Bade
ringende Knaben. Das verhältnismäßig große
Bild ist das am wenigsten glückliche von den
Manischen Werken.
Die Landschaft ist in dem Salon
Meissonier sowohl wie in den Champs Elysees
in diesem Jahre ganz ausgezeichnet. In
crsterem haben wir vor allem Damoye zu
nennen, der zehn.Bilder geschickt hat, von
denen sein reifes, von Mohnblumen durch-
setztes „Getreidefeld" und sein „Sonnenunter-
gang in Tremblevif" die besten sein dürften.
Die Stimmung des letzteren ist vortrefflich
und das über dem See zitternde Abend-
Sonnengold von bestrickender Wirkung.
Courtens, den wir bei der Weltausstellung
schon als Schilderer des „Herbstes im Walde"
bewunderten, hat eine neue Ausgabe seines
»Illuis ck'orr neben dem bereits bei der Be-
sprechung des Hoeckerschen Bildes erwähnten
„Klosterweg" ausgestellt. Ganz bedeutend
sind die Landschaften Edelfeldts, nament-
lich sein köstlicher „Sonnenuntergang in
Finnland" mit dem, dem Flußlaufe folgenden
Blick ins weite bäum- und berggekrönte
Land. Die Behandlung von Luft und Licht
ist in diesem perspektivisch interessanten Bilde
meisterhaft. Der skandinavische Landsmann
Edelfeldts, Thaulow, der nordische Schnee-
raffael hat mehrere Winterlandschaften mit
virtuos von ihm behandelten Schnee-Effekten ausgestellt.
Ter Deutsche von Hofmann (Darmstadt) sandte einen
„Sonnenuntergang" in der von ihm angenommenen im-
pressionistischen Weise. Als Marinemaler ersten Ranges ent-
wickeln sich immer mehr Harrison, Matthey, Mesdag
und Moore. Die Arbeiten des elfteren, vor allem sein
„Meer bei Nacht" haben ungeteilte Anerkennung gefunden.
Eine gewaltige packende Darstellung aus dem Leben
der Seemannswelt ist Couturiers: „An die Ankerwinde!
Im Laufschritt!" O! die prächtigen, wetterharten Theer-
jackcn, wie sie, als das Hornsignal im Laufschritt ertönt,
sich in die Speichen der Winde hineinlegen, wie sie drän-

gen und schieben, wie die Nüstern schnauben, die Augen
hervortretcn, die Muskeln schwellen, die Sehnen sich deh-
nen. Das sind keine Salonmatrosen, die haben mehr als
einmal die Linie passiert. Aus dem Bilde strömt or-
dentlich ein Duft von Theer und Secwasser und mau
hört das Kreischen der Ankerwinde. Wenn nicht das
beste, jedenfalls eines der besten Bilder der Ausstellung,
ist mir dieser Couturier lieber als der neue Meisso-
nier, den ich mir zum Schluß dieses Artikels aufbewahrt
habe. Es ist begreiflich, daß ein Künstler, welcher

Liebesbrwfflrllrr. von Lduard Unger
das siebenzigste Lebensjahr überschritten hat, nicht mehr
das höchste in seiner Kunst zu leisten vermag, eines
Fortschrittes nicht mehr fähig ist. Meissoniers „Herbst
1806" schließt den Cyklus der Bilder, welchen der Künst-
ler den Epopen des ersten Napoleon gewidmet hat. Das
Bild hat den Umfang von „1814". Auf einem Hügel
hält der Kaiser im historischen grauen Ueberzieher auf
einem kräftigen Schimmel, gedankenvoll dem Gange der
Schlacht folgend, unbekümmert um die unter ihm vorbei-
stürmenden ihm zujubelnden Kürassiere und um den
bunten Stab, der hinter ihm Aufstellung genommen.
Keine Miene in dem kameenartig geschnittenen fahlen
 
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