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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Pecht, Friedrich: Die zweite Münchener Jahres-Ausstellung, [1]
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Barth, Hans: Moderne Kunst in Rom
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0402

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310 Die zweite Münchener Iahres-Ausstellung. von Fr. pecht — Moderne Kunst in Rom. von Hans Barth
erreicht in seinem Bildnis eines schwarzgekleideten, wahrscheinlich der polnischen Aristokratie angehörigen Herrn.
Das Bild hat eine fast unheimliche Lebenskraft und könnte einem der Mann in seiner kalten Ruhe und Ab-
geschlossenheit im Traume Vorkommen, so lief bohrt sich derselbe in unser Gedächtnis ein. Unstreitig liegt
etwas Bedrückendes in dieser Plastik und Konzentration des Lichtes blos ans den Kopf, wie sie auch Bonnat
eigen, wohlthnend wirkt das Gesicht jedenfalls nicht, wenn auch respekteinflößend. — Dagegen hätte die vor-
nehme alte Dame der Frl. Bilinska, mit ihrem Ausdruck behaglichen Wohlwollens uns wohl eine lange
Geschichte zu erzählen, die sicherlich interessant genug wäre. — Diese alte Gräfin wirkt zwar begreiflich nicht
so herausfordernd wie der Herr, besitzt aber dafür einen Zauber der Persönlichkeit, der sie uns noch immer
ungefähr so anziehend erscheinen läßt, als wie wenn man ein altes Stammbuch durchblätterte, in das sich gar
viele Berühmtheiten eingeschrieben. Auch ein Franzose, Naschet, gibt ein treffliches Frauenbild, während es
doch gewiß schwieriger ist, uns durch alte Damen zu fesseln als durch junge. Letzteres haben darum die
Deutschen gewöhnlich vorgezogen, so Lesker, der ein reizend anspruchlos aufgeblähtes Mädchen gibt mit all
der Hoffnungsfreudigkeit, die den Frühling des Lebens begleitet, ein unbeschriebenes Blatt, wo man sich un-
willkürlich fragt, was wohl das Schicksal darauf schreiben werde? Auch Schretter gab eine Dame in Weiß,
wo dasselbe aber doch mehr Dekoration ist, da sie die erste Blüte schon überschritten. Männerporträte gaben
dann noch Schwarz, Koner, Jähnicke und endlich Seiler eine kleine Perle in dem Reiterbild des Prinzen
Arnulf. Außergewöhnlich fein und wirksam ist das lebensgroße Aquarell einer nicht mehr jugendlichen Dame
mit hochinteressantem, geistvollem Ausdruck von Rettig und „Mutter mit Tochter" von Seydewitz geben
mit ungewöhnlicher Lebendigkeit den Typus der Frauen des Berliner Bürgerstandes wieder. Zum besten ge-
hört dann ein Männerporträt von Kießling in Dresden, ein am Pfeiler gelehnt uns fragend anlächelnder
Herr von einer anspruchslosen Wahrheit des Ausdrucks, wie sie selten erreicht wird. Auch ein andrer lächeln-
der alter Herr von Basch in Pest zählt zum trefflichsten, was vorhanden. Ebenso sind das Bildnis Wildenbruchs
von Dorn in Berlin und das des schleswigschen Dichters Hermann Allmers von Herm. Lang, München,
verdienstliche Arbeiten, wie Kuppelmayrs Porträt des Oberstleutnants Würdinger. Andres von Velp
und Bisschop im Haag. Ein sehr gutes Damenbildnis gibt dann Rich. Scholz in Berlin und ein noch
feineres Frithiof Smith hier, ein kleines Meisterstück von Seelenmalerei. Der Stndienköpfe ist natürlich
eine zu große Menge da, um sich darauf einzulassen, doch will ich wenigstens den eines alten Bauern von
Schildknecht erwähnen.
Die interessanteste Arbeit porträtartiger Gattung gibt aber der Wiener Selig mann mit seiner Dar-
stellung des Billrothschen Hörsaales während einer Operation. Da ist nicht nur der dozierende Herr Hofrat
vortrefflich, wie er eben einem armen Teufel mit kältester Ruhe die Haut über die Ohren zieht, sondern auch
seine Handlanger und die übereinander gedrängten Schüler und Zuhörer, unter denen man den Herzog Karl
Theodor von Bayern bemerkt, sind mit einer Feinheit des Studiums wiedergegeben, wie man ihr nur in den
seltensten Fällen begegnet. Eine so überzeugende Wahrheit und Unmittelbarkeit in der Darstellung einer solchen
Szene ist überhaupt schwer zu finden. Man glaubt die dicke Luft zu atmen, die scharfe Stimme des Lehrers
zu hören, wie das bange Stöhnen des eben narkotisierten Kranken, der zum Besten der „Wissenschaft" geschunden
wird. Fast bricht einem selber der Angstschweiß aus, wie ihm. Dennoch macht die Handlung in dieser
modernen Folterkammer durchaus keinen widerwärtigen Eindruck, weil man deutlich sieht, daß alle diese
Männer von einem hohen idealen Interesse getragen sind. Das Bild ist darum ein Meisterstück modern
realistischer Kunst zu nennen, das an psychologischem Interesse sicherlich nicht hinter Rembrandts ähnlichen
Szenen zurückbleibt, wenn auch an malerischer Bravour.
(Die Fortsetzung im nächsten Hefte)

Moderne Dunst in üom
von Dans Barth

chon lange hat die römische Künstlerschaft sich zu
keiner so energischen, so allgemein großartigen Leist-
ung aufgerafft, wie iu diesem Jahre, in dem der Aus-
stellungspalast in der Via Nazionale wirklich einmal seinen
Beruf nicht verfehlt hat. Wir sprechen von der in Ver-
bindung mit der römischen Stadt-Ausstellung (Mostes. cli
L.oms) arrangierten diesjährigen Kunst-Ausstellung,
an der sich weit über ein halbes Tausend der besten
italienischen und auch ausländischen Künstler beteiligt hat.
Verhältnismäßig spärlich und auch qualitativ nicht so

hervorragend wie die Malerei ist die Skulptur vertreten
(141 Nummern), und hier ist im Büstenfache im allge-
meinen weit Besseres geleistet worden, als auf dem
Gebiete der Statuen. Was die letzteren betrifft, so hat
einen geradezu sensationellen Eindruck — d. h. nur zu
Anfang — der gefolterte Ketzer Cif ariellos (all
msjorem Oei Zlorisin) erregt: Die auf dem Rost gebun-
dene von wahnsinnigem Schmerzgefühle durchzuckte lebens-
große Gestalt eines Heretikers mit dem Freimaurer-
Dreieck ans dem Arme; zu häuptcn des in der Todes-
 
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