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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

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Springer, Jaro: Die akademische Kunstausstellung zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0426

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Die akademische Kunstausstellung zu Berlin

In der großen Anzahl der Bilder ist aber auch wieder
keines durch fatale Schlechtigkeit ausgefallen, keines, das
als gänzlich verfehlt zu bezeichnen wäre. Wenn auch
einige ältere Bilder eingeschickt worden sind, so wird im
ganzen doch hier die Jahresarbeit einer stattlichen Reihe
von Künstlern vorgeführt. Soweit es sich dabei um die
jüngere Generation handelt, ist wiederum ein erfreulicher
Fortschritt nach der technischen Seite hin zu erkennen.
Die jungen Künstler lernen mehr und können mehr als
früher. Wenn tüchtige Werke jüngerer Künstler, deren
Namen noch weniger bekannt geworden sind, überwiegen,
so muß das dafür entschädigen, daß eine Anzahl nam-
hafter Maler, die sonst regelmäßig die Ausstellung zu
beschicken pflegten, ganz fehlen. Die alte Klage, daß man
auf den Berliner Ausstellungen nur die Berliner Kunst
kennen lerne, muß auch diesmal wiederholt werden; aus
München sind meist nur ältere Bilder eingesandt worden,
die neuen hat man für die eigene Ausstellung aufgespart.
Sogar von einigen Berliner Malern wird erzählt, daß
sie ihre besseren Sachen nach München geschickt hätten.
Das Ausland ist wie gewöhnlich nur in ganz vereinzelten
Stücken vertreten. Es scheint klug, diese für uns Berliner
wenig schmeichelhafte Thatsache einfach zu registrieren,
ohne reflektierende Erörterungen daran zu knüpfen.
Im ganzen gibt unter diesen Umständen die dies-
jährige Ausstellung kein Bild der deutschen, sondern nur
der Berliner Kunst. Daß die kleineren deutschen Maler-
schuleu, wie die Düsseldorfer, Weimarer und die Karls-
ruher die Ausstellung reichlich beschickt haben, kann uns
über die ungenügende Vertretung der Münchener nicht
trösten. Denn in jenen stilleren Kunststätten ist schon
seit längerer Zeit ein stetiges Vorwärtsschreiten und ein
Suchen nach neuen Wegen nicht mehr zu erkennen.
Der Anzahl der Kunstwerke nach ist die diesjährige
Ausstellung geringer als die vorige, eine ganze Reihe
der kleineren Säle des Ausstellungsgebäudes ist leer ge-
blieben. Eine glückliche bauliche Veränderung hat man
von der Blumenausstellnng her beibehalten: einen großen
aus drei der früheren Säle zusammengelegten Mittelsaal,
der durch eine zweiteilige Freitreppe einen wirksamen
architektonischen Abschluß bekommen hat. Bis auf das
Vestibül und den ersten Saal, die ihren alten bekannten
künstlerischen Schmuck behalten haben, sind wieder alle
Säle von einer verletzenden Nüchternheit. Gerade bei
einem Kunstausstellungsgebäude ist dieser Mangel an jeg-
licher dekorativer Ausstattung wenig am Platz. Wenn
man diese öden, langweiligen Säle durchschreitet, die die
eisernen Teile der Deckenkonstruktion unverhüllt zeigen,
kann man es einem feinfühligen Künstler wohl nach-
empfinden, daß er hier ein mit Fleiß und Liebe ausge-
führtes Bild nicht ausgestellt wissen will.
Man hat einige der früheren Berliner Ausstellungen
spottweise Porträtausstellungen genannt. Der Umstand, der
die Veranlassung zu diesem Spitznamen gab, das Über-
wiegen der Bildnisse, tritt diesmal weniger hervor.
Genug finden sich ihrer immer noch vor, darunter eine
große Anzahl weiblicher Porträts, bei denen die mit
genügender Vollständigkeit zur Schau gestellten Reize der
dargestellten Persönlichkeiten für die geringen Fähigkeiten
der Maler, sie wiederzugeben, entschädigen müssen. Die
Aufzählung der künstlerisch befriedigenden Bildnisse ist
bald erledigt. In einem Bilde einer schwarzgekleideten
Dame in reiferen Jahren bekundet Konrad Kiesel eine

Vornehmheit der Auffassung, die bei ihm sonst nicht zu
rühmen war, die ihn aber, wenn sie beibehalten wird,
zu einem der besten Porträtmaler der Gegenwart machen
wird. Das Bildnis des Abgeordneten vr. Windthorst und
das einer älteren Dame von Vilma Parlaghy
frappiert durch eine geistvolle Auffassung und durch eine
große technische Sicherheit. Graf Harrachs Doppel-
porträt zweier junger aristokratischer Damen ist nament-
lich durch die fein erfundene Stellung der beiden zarten
Erscheinungen beachtenswert. Kaiscrbildnisse sind überaus
reich vertreten. Ein großes Bild von Werner Schuch
zeigt den Kaiser, wie er die Parade über das Gardekorps
abnimmt. Die Ähnlichkeit des Kaisers, der einen präch-
tigen Fuchs reitet, scheint weniger geglückt, dafür finden
sich unter der Suite, die hinter dem Kaiser hält, einige
gut getroffene Köpfe von großer Lebenswahrheit. Die
beiden Kaiserporträts von Koner, die den Herrscher in
ganz identischer Stellung, aber in verschiedener Uniform
zeigen, scheinen mir nach ihrem künstlerischen Wert über
die gewöhnlichen Kasinobilder wenig hinauszugehen. Plo ck-
horsts Bildnis der Kaiserin Augusta hat nur den
historischen Wert, daß es das letzte noch bei Lebzeiten
der hohen Frau angefertigte Porträt ist. Schon mehr
ein Militärbild als nur ein Porträt ist Nocholls Bild
mit dem Titel: „Kaiser Wilhelms Ritt am Tage nach
der Schlacht bei Sedan", das besser komponiert als ge-
malt ist. Unter den Militärbildern finden sich, wie schon
seit einigen Jahren, nur wenige Schlachtendarstellungcn,
seitdem mit der Anzahl der Mitkämpfer, die Erinnerung
an den letzten Krieg im Volke abgenommen hat. Glück-
licherweise, denn die moderne Schlacht ist künstlerisch nicht
darstellbar, der Maler kann nur Episoden des Kampfes,
und zwar nur solche, die für die Entscheidung der Schlacht
nicht einmal besonders markant sind, zeigen, er fixiert
einen Gefechtsmomcnt, der aber ein Bild der Schlacht
nicht gewährt. Aus diesem Grunde können auch die Er-
stürmung des Rottenberges bei Spichcren und des Gais-
bergschlößchens bei Weißenburg von Karl Röchling
nicht besonders ansprechen, so gut sie sonst gemalt sind.
Vortrefflich ist dagegen das soldatische Genrebild desselben
Künstlers „Stiefclappcll im Manöver". Sein historisches
Bild „Die Franzosen in der Pfalz 1689" gehört zu den
erfreulichsten, das sich überhaupt auf der Ausstellung findet.
Die Landschaften überwiegen diesmal nicht nur
numerisch, so daß sie der Ausstellung das Gepräge
geben. Die vielen Norwegischen Landschaften und die
zahllosen Marinen zeigen, daß die Spekulation der Künstler
mit der in hohen Kreisen gegenwärtig herrschenden Vor-
liebe für die See und für die Nordlande zu rechnen ver-
steht. Doch befindet sich darunter manches Gute, wie die
Bilder von Karl Saltzmann, Hans Gude und
Richard Eschke, dessen blaue Wogen gerade noch inner-
halb der Grenze des Möglichen gehalten sind. In dem
noch blaueren Wasser des Schnars-Alquist ist diese
Grenze aber schon überschritten. Eugen Bracht und
seine Schule präsentiert sich auf der Ausstellung vortreff-
lich. In der Landschaftsmalerei bringt die Berliner Schule
gegenwärtig ihre besten Leistungen hervor, die jüngere
Generation befolgt eine gemäßigte hellmalende Richtung,
in der sie viel recht Erfreuliches hervorbringt. Max
Liebermanns „Holländische Dorfstraße", das dem
Gegenstand nach zum Genrebild überführt, ist der beste
Repräsentant des hellmalenden Jung-Berlin. Von
 
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