Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 5.1889-1890

DOI article:
Pecht, Friedrich: Die zweite Münchener Jahres-Ausstellung, [3]
DOI article:
Adelung, Sophie von: Das russische Kostüm, [1]: eine Atelier-Studie
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10738#0442

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
von Friedrich pecht — Dos russische Aostüm Line Atelier-Ttudie. von 5. v. Adelung zzz
Charakterzug unsrer Periode. Die Welt will von der Kunst beileibe nicht erschüttert und erhoben, sondern
höchstens gerührt, erwärmt und erfreut werden. Alles Mächtige, Gewaltige und Heldenhafte ist ihr gründlich
zuwider, und ein Bismarck wird nicht nur in der Politik, sondern auch in der Kunst mit allgemeiner Über-
einstimmung hinausgeworfen. Wie kann man da auch von den Malern verlangen, daß sie größeren Sinnes
seien, als Könige, Fürsten, Generäle, Minister und Volksvertreter? Oder daß sie etwa Freude an der Geschichte
haben sollen, während doch niemand etwas von ihr lernen will?
(Die Fortsetzung im nächsten Hefte)
Das russische Kostüm
Line Atelier-Studie. Von S- v. Adelung Nachdruck


-L^ie kommt."
Und Konstantin Andrejewitsch Lensky
streifte die Asche von seiner Zigarette, wäh-
rend er sich behaglicher auf meinem Divan
ansstreckte und seinen schonen dunklen Kopf
mit dem klaren Profil an die Wand lehnte.
Ich war gerade damit beschäftigt einen
sehr heiklen Ton zu mischen, mit welchem
ich die Falten in der schweren Robe der
Frau Kommerzienrat lasierte. Ans morgen
hatte sie mir eine Sitzung zugcsagt, bis
dahin sollte das Kleid so weit es ging fertig
werden und die Wintertage waren kurz.
Ich drehte mich denn auch gar nicht
um, sondern fragte nur, indem ich weiter
mischte:
„Wer kommt?"
„Die russische Kostüm", sagte Lenskq.
Er warf das Ende seiner Zigarette weg und
zündete sich eine neue an.
Während seiner Anwesenheit in unsrer
Kunststadt hatte sich Lensky viele Freunde
erworben, nur mit den Artikeln „der, die,
das" hatte er sich ans keinen freundschaftlichen
Fuß zu setzen gewußt und verwech'elte sie
noch immer, außer, wenn er in Redefluß
geriet; dann sprudelten ihm die Worte nur
so von den Lippen; es war, als helfe seine
Rednergabe ihm über die Schwierigkeiten der
fremden Sprache hinweg.
„Das russische Kostüm? Wie oft sollte
das schon kommen?"
„Nein, nein, rnon aber, diesmal kommt
sie ganz gewiß — du sollst sehen. Sie
schreibt mir — der Ton ist nicht gut, du
hast ihn gar zu durchsichtig gemacht. Ah!
um die richtigen Töne in die Schatten von eines Kleid
zu studieren, da muß man das van Dycksche Bild
sehen — wer ist es doch? Seine eigene Frau, nicht
wahr, in dem hell-grau-weißen Kleid mit dem Cello.
Tein Ton fällt durch, mon aller — so — das ist besser."
„Wer schreibt dir?"
Mir gegenüber hing ein Spiegel — ich konnte
die Grimasse sehen, welche Lensky bei meiner Frage
schnitt.
„Sie — die Nichte."
Betroffen wandte ich mich um. „Sie hat dir —
geschrieben?" fragte ich.
Lensky blies eine Rauchwolke in die sLuft und

Am Ramm, von Hugo-Vogel
Münchener Iabres-Ausstcllung I890
nickte. „Laß doch deine Kommerzienrätin ein wenig",
sagte er, „und setze dich zu mir her — ich will dir die
ganze Geschichte erzählen."
„Unmöglich — in einer Stunde wird es Nacht, ich
habe keine Zeit."
„Keine Zeit? Was meinst du? Die Malerei lernt
man am besten während man nichts thut: da kommen
einem die genialsten Gedanken und schönsten Bilder. Wozu
sich abquälen? Bleiben wir nicht alle Stümper und
Pfuscher, auch die besten unter uns? Wer ist jemals in
das Allerheiligste der Kunst eingedrungen?"
>- k „Mit deiner Anschauungsweise käme man weit in
der Welt."
 
Annotationen