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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 19.1903-1904

DOI issue:
[Heft 5 (1. Dezember 1903)]
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Pauli, Gustav: Graf Leopold von Kalckreuth
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https://doi.org/10.11588/diglit.12082#0119

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GRAF KALCHREUTH SELBSTBILDNIS (1902)

GRAF LEOPOLD VON KALCKREUTH

Die Schriftsteller, die über die Kunst ihrer
Zeit berichten wollen, haben einen
schweren Stand — namentlich in Deutsch-
land. Von den Künstlern werden sie gewöhn-
lich als ein notwendiges Uebel betrachtet
und von den Kunstgelehrten als entartete
Wildlinge des eignen edlen Stammes. Uns
fehlt leider der critique d'art der Franzosen,
der den Künstlern ein Kamerad ist, und dessen
Name auch den gelehrtesten Forscher bezeich-
net. Vielleicht sind unsere Schriftsteller
selber schuld daran. Denn, wenn sie ihre
Aufgabe darin erblicken, daß sie den Künstlern
Zensuren schreiben, so dürfen sie sich nicht
wundern, wenn man ihnen wenig gewogen
ist. Wer wäre wohl gebildet, geschmackvoll
und gerecht genug, um unter hundert ver-
schiedenen Talenten einem jeden das Seine
zuerteüen zu können! Die Unparteilichkeit

des Urteils ist selbst der Geschichte gegen-
über streng genommen kaum möglich. Nur
zu oft ist das tugendhafte Aufheben, das
hier von ihr gemacht wird, nichts weiter als
eine artige Maske. Ganz undenkbar ist sie
aber gegenüber den Erscheinungen der Gegen-
wart, vollends wenn von Kunst die Rede
ist. Das Kunstwerk ist nun einmal, um einen
hübschen Ausdruck Lichtwarks zu gebrauchen,
das Werk einer liebenden Seele. Wie will
man es verstehen, wenn man nicht mitzu-
lieben vermag?

Gesteht der Schriftsteller es indessen ge-
trost ein, daß er auf ein objektives, allgemein
gültiges, ästhetisches Urteil verzichte, so sieht
er eine dankbare Aufgabe vor sich. Was ein
Künstler an sich bedeute, kann er nicht er-
messen, was er künftigen Jahrhunderten ein-
mal sein wird, braucht ihn wenig zu kümmern.

Die Kunst für Alle XIX. 5. 1. Dezember 1903.

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