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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 19.1903-1904

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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Aus den Berliner Kunstsalons
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4sö> AUS DEN BERLINER KUNSTSALONS

nachdenklich vor einer graublauen Tapete sitzt,
Interesse durch eine gewisse Vornehmheit der
Linienführung und die geschmackvoll gewählten
Farben. Aufmerksamkeit erregt ferner das Doppel-
bildnis des Professor Krohn und dessen knaben-
haften Sohnes vor graugrünem Hintergrund durch
die Anordnung der Flecken. Oben der Kopf des
Vaters, ein wenig tiefer der Kopf des Sohnes und
unter diesem die linke Hand des Professors, mit
der er das Kind zärtlich an sich drückt. Eine vortreff-
liche Leistung bietet Edelfelt in dem Porträt der Erb-
prinzessin von Meiningen, die in lichter, grauvioletter
Toilette an einem runden Tischchen steht und in
einem Heft blättert. Vor ihr auf dem Tisch ein
Strauß roter und bräunlicher Herbstblumen, hinter
ihr ein braunroter Vorhang. Sie steht vor einem
Fenster und ist von dem Schein der sinkenden
Sonne sanft angestrahlt. Außer diesem Kniestücke
ist noch ein zweites Porträt der Prinzessin, ein
pasteliiertes Brustbild, vorhanden, das sie in weißer
Hofrobe, den schönen Hals mit Juwelen geschmückt,
über den Schultern einen rotgefütterten Pelzmantel,
darstellt; halb Tagesbeleuchtung, halb Lampen- oder
Kaminfeuerreflex. Ein älteres umfangreicheres Werk,
'Die alten Frauen von Ruckolacks«, zeigt Edelfelt
auf heimatlichem Boden. Drei alte Weiber mit großen
weißen Kopftüchern und bunten Röcken und
Schürzen haben sich aus dem Treiben eines Jahr-
markts, das man in der Ferne sieht, zu einem
Schwätzchen hinter der Kirchenmauer zurückge-
zogen. Eine junge, hübsche Bäuerin, gleich ihnen
auf dem Rasen sitzend, hört zu. Ein gut kompo-
niertes, fleißig gemaltes und in der koloristischen
Absicht vortreffliches Bild; vielleicht ein wenig
süß in der auf den Akkord von Grau-Rot-Weiß ge-
stellten Farbe. Weniger gut als Schilderung, aber
temperamentvoller als Malerei ist die weinende und
eine Art Zither spielende Alte »Finnischer Klage-
gesang?. In einer >Dorfstraße< nähert sich Edelfelt
seinen stilisierenden Landsleuten, deren bedeu-
tendster, Axel Gallen, diese Ausstellung leider nicht
beschickt hat. Von dem Geiste dieser nationalen Kunst
zeugen hier aber die Arbeiten Pekka Halonen's,
unter denen das große Bild > Die Wegemacher< nicht
als Malerei, wohl aber als Komposition einen ge-
wissen Eindruck macht. Ein Urwald, in dem drei nur
mit weißen Hosen bekleidete Kerle mit Stricken einen
Baum halten, den ein Holz fäller eben anhaut, während
drei andere Männer, in weißen Hosen und Hemden,
mit Hebebäumen einen riesigen Stein beiseite schaffen.
Die Gestalten der Männer sind nicht übel studiert,
aber zu weichlich gemalt. Der Künstler konnte sich
augenscheinlich nicht entschließen, die Wirklichkeit
ganz dem Stil, den er in der Schilderung des Waldes
erreicht hat, zu opfern. In ähnlichem Sinne hat
Halonen zwei Bauern gemalt, die im Schnee den
Spuren eines Wolfes nachgehen. Auch in Eero
Järnefelt's Arbeiten ist die nationale Note. Mit
seinen realistischen Anwandlungen wirkt er frischer
als Halonen. Er kann sehr viel. Er kann einen
alten Professor im Frack und in weißer Binde so
konventionell und langweilig malen, wie solche alten
Leute es gern mögen. Er kann aber auch stark-
farbige Landschaften malen, einen blauen Fluß mit
grünen Ufern. In dem Boot auf dem Wasser
führen eine jüngere und eine ältere Bäuerin wider-
willig Ruder und Steuer; denn ihre Männer sind
betrunken, haben sich, in der Mitte des Bootes
sitzend, zärtlich umfaßt und denken gar nicht daran,
den Weibern die schwere Arbeit abzunehmen. Das
beste von Järnefelts Bildern ist ein Bauernhof, in
dessen Mitte drei faule Knechte in der warmen
Mittagssonne Siesta halten und nicht die geringste

Lust zeigen, dem zur Arbeit gehenden Bauern zu
folgen. Eine schöne Harmonie in Grau und Gelb,
dieses Bild. Am wenigsten sympathisch erscheint
Magnus Enckell. Vor seinen aufgeregten Por-
träts mit den grellblickenden Augen denkt man an
Zwintscher. Sein >Christus in Gethsemane^, der
hinter einer Erderhöhung auftaucht, vor der schlafend
drei Jünger liegen, geht in der Wahl von finnischen
Bauerntypen für diese Gestalten auf Edelfeldts
»Christus erscheint der Magdalena zurück, ist aber
im geistigen Ausdruck und in der Farbe herzlich
trivial. Am angenehmsten präsentiert sich das nicht
zu leugnende Talent des Künstlers in einem »Strand'
mit einem gelben Fischersegelboot im Wasser und
in einem die Hände vor das Gesicht pressenden,
weinenden Mädchen, dessen Kopf und Oberkörper
in ein braunes, zerrissenes Tuch gehüllt sind. In
dieser Einzelfigur offenbart sich sogar eine gewisse
Größe. Von dem sonstigen reichen Inhalt der Aus-
stellung verdienen die ganz ausgezeichneten Aqua-
relle von Edwin Alexander, einem Schotten, beson-
ders hervorgehoben zu werden, der Landschaften und
Tiere, am liebsten Enten, Tauben, Käuzchen, Kanin-
chen, Chamäleons mit einer entzückenden Intimität,
aber ohne eine Spur von Kleinlichkeit malt und
seine Farben mit einem ruhigen Grau zusammen-
hält. Seine Kollektion gehört zum Sehenswürdigsten,
was man dieses Mal hier findet. Eine Kollektivaus-
stellung von Josef Block bietet sehr Ungleich-
wertiges. Vortreffliche, auf eine malerische Pointe
gestellte Gesellschaftsscenen, einmal eine eheliche
Auseinandersetzung vor einem geöffneten, mit durch-
wühlten Briefen bedeckten Schreibtisch, das andere
Mal elegante Damen und Herren im »Entree
eines vornehmen Hauses, die sich anschicken, in
den Salon zu gehen. Dann einige nicht immer harmo-
nische Porträts, zum Teil im schlimmsten Publikums-
geschmack und endlich eine wichtige Leistung: »Saul
mit dem harfespielenden David . Das Bild hält an
seelischer Vertiefung keinen Vergleich mit Rem-
brandts Bild im Haag aus, an das es gemahnt.
Block gibt keine neue Lösung des alten Themas,
aber er hat immerhin ein sehr respektables Stück
Malerei geliefert. Saul, ein bärtiger Mann von
ziemlich modernem Aussehen, sitzt in scharlach-
farbenem, mit Gold durchwirktem Gewände auf einem
Sessel und stützt sich, zur Seite geneigt, mit beiden
Händen schwer auf seinen Speer. Nicht weit von
ihm sitzt auf einer Stufe, die Harfe im Arm, David,
ein weißgekleideter Jüngling und läßt traumverloren
die Finger über die Saiten gleiten. Hinter den
beiden in schweren Falten ein purpurfarbener
Brokatvorhang. Solch ein Bild müßte reden, dem
Beschauer warm machen. Man kommt aber leider
nicht über die Achtung vor der tüchtigen Malerei
fort. Julie Wolfthorn hat Porträts in ihrer be-
kannten Art ausgestellt, unter denen das des Dich-
ters Richard Dehmel im Garten eines der besten
ist, welche die Künstlerin bisher produzierte. Die
Plastik ist durch einige Arbeiten Troubetzkoy's
vertreten und eine bemalte Holzschnitzerei von
Rudolf Moroder, die für eine Kirche gedacht,
in dieser Umgebung allerdings unschön und depla-
ziert erscheint. Hans Rosenhagen [162]

DERLIN. Ein Seitenstück zum >Fall Kampf«:
Walter Leistikows ■Sehneelandschaft aus
dem Riesengebirge« war von der Landeskunstkom-
mission einstimmig zum Ankauf für die National-
galerie vorgeschlagen worden. Der Kultusminister
weigerte sich jedoch, dem Kaiser dieses Votum zur
Bestätigung vorzulegen, weil Leistikow organisa-
torisch als Führer der »Sezession« tätig ist.

Redaktionsschluß: 21. November 1903 Ausgabe: 3. Dezember 1*103

Für die Redaktion verantwortlich: F. Schwartz
Verlagsanstalt F. Rruckmann a.-o. — Druck von Alphons Bruckmann Sämtlich in München
 
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