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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 19.1903-1904

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Von Ausstellungen und Sammlungen - Denkmäler - Vermischtes
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https://doi.org/10.11588/diglit.12082#0178

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VON AUSSTELLUNGEN flecktem Ton. Von Künstlern wird dieses Ge-

mälde als das bisher reifste, kompositioneil größte
UND SAMMLUNGEN WerkKlimts betrachtet. Das Publikum aber, welches

wie Baudelaire sagt, >dem Genie gegenüber immer
■W/IEN. Sezession. Die achtzehnte Ausstellung eine zurückbleibende Uhr ist«, fängt an, sich mit
" der Sezession zeigt den Entwicklungsgang, den von ihm so verurteilten Kompositionen der
welchen ihr bedeutendstes Miiglied Gustav Klimt »Medizin« und der »Philosophie« vertraut zu machen
seit der Gründung der Vereinigung genommen hat. und richtet die Pfeile seines Spottes nun gegen
Porträts, Landschaften, koloristische Phantasien und die »Justizia«. — Porträts aus früherer Zeit, wie
große dekorative Malereien füllen das ganze Haus. das Bild von Klimts Mutter dürften unter dem
Die Fresken aus der Beethoven-Ausstellung sind Einfluß des einst bahnbrechenden Gemäldes
geblieben — und in diesem Saal sind die in der Whistler's »Meine Mutter« entstanden sein. Daran
lezten Schaffensphase entstandenen Werke rein reiht sich chronologisch ein Damen-Porträt in
stilistischer und dekorativer Art vereinigt. Mehrere rosa, welches auf der Pariser Weltausstellung
kleinere Räume bergen in bunter Reihe Land- viel bewundert wurde. Viel eigener, subjektiv
Schäften und Porträts. Im großen Hauptsaal aber erregter, und psychologisch differenzierter ist
hängen die drei für die Wiener Universität be- das ungefähr drei Jahre später geschaffene Porträt
stimmten Deckenbilder, — die Philosophie, die der Frau F. R. In steter Entwicklung strebt
Medizin und die Justiz. — Man kennt die nun Klimt zur idealen Wiedergabe, zur poetischen
lärmenden Proteste, welche seinerzeit, als »Philo- Gestaltung des Porträts. Sein letztes noch nicht
sophie« und »Medizin« in der Sezession ausgestellt vollendetes Bild — Porträt eines jungen Mäd-
waren, gegen diese Gemälde laut wurden. Klimt chens — berührt in seiner dekorativen Stil-
hatte die ihm aufgetragenen Aufgaben in der ihm Wirkung ganz wundersam. Wie ein Märchen-
entsprechenden Weise, das heißt rein malerisch wesen steht eine Mädchengestalt in blaugrünem,
gelöst. Das Publikum vermißte aber die Hiero- blumigem Gewand vor uns. Von der Schulter
gly phen-Sprache, das Kinder-Alphabet der Embleme, auf schwankem Stiele erblühend, umstrahlt aureol-
weiche zu buchstabieren träge Gewohnheit ge- artig das reizvolle Haupt ein blaugrün schimmernder
worden war. Man verstand weder die gedankliche Blütenkranz, der die Farbenmystik byzantinischer
Konzeption des Meisters, noch auch die neue Hintergründe hat. Aehnliche Wirkungen beinahe
koloristische Welt, die er erschaffen. Nun ist mystischer Art entströmen den nur mehr als
jetzt die Verkörperung der »Justizia« hinzugetreten. dekorative Visionen geltenden Landschaftsbildern
Wie bei den ersten zwei Gemälden hat Klimt jede »Der Birnbaum« und der »Goldene Apfelbaum«,
nach dem Schulmeister schmeckende Gedanken- Es sind dies wundersame Erinnerungsbilder an
Uebersetzung vermieden. Er wandelt den abstrakten wundersame Schöpfungs-Momente. Immer mehr
Begriff ins rein Menschliche. Die Gestalt des Ver- wird dem Künstler die Natur zum Traum. Para-
brechers beherrscht den Plan. Eine mächtige, mus- diesische Wälder, Märchenbäume, die goldene
kulöse, trotz des Alters ungebeugte Gestalt. Die Früchte tragen, erschafft sich seine Phantasie.
Hände sind nach rückwärts gefesselt, das tief durch- Das große dramatische Horizontbild »Aufsteigendes
furchte, von Elend und Hoffnungslosigkeit entstellte Gewitter«, auch ein allerjüngsies Werk, ist das
Haupt senkt sich auf die Brust herab. Ein polyp-
artiges Ungeheuer umschlingt mit seinen Fängen
die erschütternde Gestalt. — Von schwarzen Schleiern,
die in Wellenschwingungen das Bild durchziehen,
umhüllt, umstehen den Verlorenen die Eumeniden.
Bedeutungsvoll im wechselnden Ausdruck. Aus
blondrotcn Mähnen, die von goldenen Schlangen
durchwunden werden, blicken unerbittlich mit dem
Ewigkeitsausdruck der Sphinx die blutlosen,
starren Züge der Rächerinnen hervor. Jung und
schön, wie sie Goethe im ^Faust« darstellt, bildet sie
auch Klimt. Oberhalb dieser Szene ist als Hinter-
grund das Gemäuer einer alten Rechtsstätte ge-
dacht. Einzelne mit miniaturartiger Feinheit ge-
modelte Köpfe ernster Männer in rotem Talar
tauchen auf, wohl die Typen der das Recht
Sprechenden. Sie verdichten sich zu Gruppen ganz
oben zu den Füßen der mit den Blicken kaum mehr
erreichbaren Justizia. Sie steht in Purpur gehüllt
auf ihr Schwert gestützt; die Wahrheit und die
Gesetzgebung sind ihre Begleiterinnen. — So stellt
sich die Komposition dieses bedeutsamen Werkes
dar. Klimt ist hier zu einer monumentalen Auf-
fassung des Dekorativen gelangt, welche die rein
malerische Lösung der zwei ersten Deckenbilder
weit überragt. Die Vereinfachung und die Wucht
der Linie, die strenge Eliminierung aller Details,
aller Nuancierungen lösen stilistische Gefühle
von seltener Reinheit aus. Ein feierlicher Rhythmus
durchzieht die Komposition und erhält seine
Verstärkung durch das ernste, düstere Kolorit.
Schwarz und Gold herrschen vor, nur die Justizia
leuchtet in byzantinisch rotgoldener Pracht und der

Leib des mächtigen Polypen schimmert in lila ge- max liebermann italienisches Mädchen

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