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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 19.1903-1904

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Zuckerkandl, Bertha: Die 20. Ausstellung der Wiener Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.12082#0439

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-^4sg> DIE 20. AUSSTELLUNG DER WIENER SEZESSION <ös^

RUDOLFJETTMAR PARZEN
20. Ausstellung der Wiener Sezession

sowohl in der persönlichen, dem gelebten
Dasein so unmittelbar nahestehenden Em-
pfindung, als auch in der Wiedergabe der
malerischen Wertung besteht. Es ist Inte-
rieur- und Stillebenkunst hier in feinster
Art gegeben und die Bewältigung des Figuralen
zeugt von ernstester Selbstarbeit. Der Land-
tag hat dieses Bild für die moderne Galerie
angekauft.

Ganz im gesunden Naturalismus steckt noch
Engelhart. Er hat die Früchte seiner Pariser
Lehrzeit unentwegt festgehalten und versuchte
die Probleme von Pleinairismus, von Augen-
blicks-Feststellungen mit einer gewissen un-
bekümmerten Derbheit zu lösen. So ist er
eigentlich in einen Gegensatz zu den über-
wiegenden Stiltendenzen der Sezession ge-
raten. Seine Bilder fallen etwas aus der
Gesamtstimmung heraus. Den Akt meistert
Engelhart spielend, sei es, wenn er wie in
seiner Ballszene aus dem Sophiensaal (s. Abb.
S. 428) vorne das Logenpublikum in lebens-
großen Figuren agieren läßt, während er
unten das wimmelnde Ballgewühl skizziert; sei
es, wenn er die geschminkten Reize, die her-
ausfordernde Haltung einer Variete-Sängerin
(s. Abb. S. 424) wiedergibt. Oder wenn
er versucht, in rein impressionistischer

Art den hellen Fleischton eines Frauenkörpers
mit Freiluftreflexen zu beleben, wie im Bilde
„Der rote Hut" (s. Abb. S. 425).

Was ist aber aus einem bisher ganz realen,
ganz nur die sichtbare Welt erkennenden
Künstler geworden? Nowak kannten wir bis-
her nur als rein impressionistischen Land-
schafter. Nun hat ihn das aufgestellte Pro-
gramm genötigt, das alte Geleise zu verlassen
und beinahe hätte er dadurch vielleicht gar
zu viel an innerem Gleichgewicht eingebüßt.
Denn der Sprung von naturgetreuer Wieder-
gabe bis zu diesem „Abend" genannten poe-
tischen Stimmungsextrakt (s. Abb. S. 423) ist
ein gar großer. Eine Ideallandschaft zeigt
einen stillen Weiher, in dessen klarem Auge
sich Bäume, Ufer und Himmel spiegeln.
Ganz von den Strahlen der untergehenden
Sonne rot leuchtend, lehnt an einem Baum-
stamm sinnend eine ernste hohe Frauengestalt.
Träumend lagert das Mädchen ihr zu Füßen,
der Jüngling am Uferrande. Stille, Friede,
Harmonie soll in starken Stimmungswellen
dem Beschauer sich mitteilen. Jedenfalls hat
Nowak gezeigt, daß er bedeutender Steige-
rungen, welche man nie in ihm vermutet
hätte, fähig ist. Bis er an weiteren Aufgaben
erstarkt sein wird, dürfte er der Stützen,

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