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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 19.1903-1904

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Rosenhagen, Hans: IX. Ausstellung der Berliner Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.12082#0462

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-^sg> IX. AUSSTELLUNG DER BERLINER SEZESSION <ö^~

Wesen einer Persönlichkeit spiegelt sich ja
nicht ausschließlich im Kopfe. Die Art, sich
zu geben, zu halten, zu bewegen, zu kleiden,
alles das spielt eine eigene Rolle in der
Charakteristik des Menschen. Wer einmal
die Porträt-Sammlung der Londoner National-
Gallery gesehen hat, weiß, wie unausstehlich
langweilig die merkwürdigsten Köpfe in Masse
sind und wie wenig das Individuelle von
Menschen in den sogenannten Repräsentations-
bildern, sobald sie in größerer Zahl neben-
einander hängen, zur Geltung kommt. Im
Grunde geben natürlich sowohl in der Auf-
fassung und in der Situation als auch in der
Malerei Imponderabilien den Ausschlag; aber
es ist immerhin angenehm, wenn diese sich
in einer gewissen Abwechslung offenbaren.
Gleich in dem Porträtsaal kommt die Steigerung
der künstlerischen Qualität in den Leistungen
der jungen Berliner sehr überzeugend zum
Ausdruck. Da ist Konrad v. Kardorff mit
dem Bildnis des Reichstagsabgeordneten
Stubenrauch, worin Haltung und Ausdruck vor-
züglich getroffen erscheinen. Die Malerei ist
breit, ohne äußerliche Virtuosität, die Farbe

KARL WALSER AM FENSTER

9. Ausstellung der Berliner Sezession

kräftig und doch luftig. Da hat Leo
v. König den jungen Walter Hirth ge-
malt, wie er vor ihm, zum Ausgehen
gerüstet, auf dem geschlossenen Deckel
eines altmodischen Klaviers saß, und
eine junge Dame in grauem Pelzjacket,
die in anmutiger Haltung vor einem
grauen Vorhang steht. Beide Arbeiten
sachlich und anständig gemalt und als
Geschmacksäußerungen von sehr apartem
Reiz. Durch seine geschlossene male-
rische und kompositionelle Wirkung fällt
ungemein angenehm Linde-Walthers
Bildnis des Malers Fritz Rhein auf. Es
hängt neben einem sehr mondainen
Familienbildnis von Jacques Emile
Blanche und niemand dürfte behaupten,
daß es diesem im Ausdruck des Lebens,
in der Zeichnung und in anderen Quali-
täten nachgäbe. In der Schönheit und
Gesundheit der Farbe aber ist es dem
Bilde des Franzosen, das zuviel braune
Töne hat, ohne Frage überlegen. Und
wer hätte von Bischoff-Culm, einem
Maler, dessen Name außerhalb Berlins
nahezu unbekannt sein dürfte, ein Bild
von so feiner seelischer Prägung und so
zurückhaltender und doch eindringlicher
Malerei wie das Damenporträt erwarten
können! Auch Robert Breyer feiert
hier mit dem Bildnis einer Dame in Rot,
von deren Gesicht man nicht nur eine

ERNST BISCHOFF-CULM PORTRÄTSTUDIE
9. Ausstellung der Berliner Sezession

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