WÖRTH UND DIE ZÜGELSCHULE
Nähe der großen Stadt mit ihren Fabriken
ihren verderblichen Einfluß auf diese und
die wirtschaftlichen Verhältnisse ausgeübt:
die jungen, kräftigen Männer arbeiten in
diesen Großbetrieben, während das Bestellen
der Felder und die Ausübung der Landwirt-
schaft den älteren Leuten und Frauen über-
lassen bleibt. Mit welchem Erfolg, läßt sich
leicht denken.
Ein Gang durch die Hauptstraße macht
uns mit den schmucklosen Bauten der katho-
lischen und protestantischen Kirche bekannt,
von wo wir rechts abbiegen zum „Altrhein",
einem träge dahinschleichenden, fischreichen
Arm des etwa 3 km weiter östlich fließenden
Stromes. Durch großartige Dammanlagen sind
die bewohnten und angebauten Stätten vor
dem Hochwasser geschützt, das im Sommer
zur Zeit der Schneeschmelze in den Alpen
oft mit ungeahnter Schnelligkeit hereinbricht.
Eine Brücke führt uns auf die „Insel" mit
ihren weiten Kies- und Sandflächen. Dicht
verwachsene Weiher und Grundwassertümpel,
Gruppen alter, knorriger Weiden und hoch-
gewachsener Pappeln, dazwischen ausgedehntes
Weideland, saftig grüne Wiesen und Schilf,
weiter drüben dunkler Föhrenwald, rote Aecker
und gelbe Fruchtfelder: ein Dorado für Land-
schafter und Tiermaler.
Nicht selten, wenn über das Klima ge-
klagt wird, das naturgemäß während des heißen
Sommers in der Niederung mit seiner brütenden
Hitze und der bleiernen, erschlaffenden Luft
durch all die Ausdünstungen aus Sümpfen
und faulenden Wassern nicht gerade das ge-
sündeste ist, nicht selten wird gefragt: Warum
gerade nach Wörth?
Hier ist einer der Gründe. Wo gibt es
für den Tiermaler einen an landschaftlichem
Hintergrund so ausgiebigen Platz wie die
„Insel" in Wörth? Wo kann er das Modell
so ohne Rücksicht auf den Flurschaden stellen,
so ganz wie es ihm für seine Zwecke ge-
eignet erscheint? Hier steht ihm ein Raum
von nahezu einem Quadratkilometer zur freien,
schrankenlosen Benützung offen, ein Raum,
auf dem alle denkbaren Kombinationen von
Erde, Wiese, Luft, Wasser, Kies, Bäumen etc.
möglich sind. Und jeder Eingeweihte wird
wissen, daß eine Schule, eine Zahl von
zwanzig und mehr malenden Menschen einen
erklecklichen Raum beansprucht.
Eine für den Tiermaler sehr willkommene
Sitte ist die, daß das Vieh dort zur Feldarbeit
benützt und eingespannt wird. Es steht in-
folgedessen ruhiger im Freien, als wenn es
das ganze Jahr hindurch im Stall oder auf
der Weide gehalten wird, ein Umstand, der
besonders für den Anfänger äußerst schätz-
bar ist. Die Legende weiß sogar von ein-
zelnen idealen Modellen zu erzählen, welche
morgens ohne weiteres an den Malplatz trotten,
sich dort in der gewünschten Richtung auf-
stellen, um darin zu verharren, bis die Dorf-
uhr die Stunde der Fütterung verkündet.
Ein befriedigtes Brummen, eine kurze Wen-
dung und die „Malkuh" tritt ebenso selb-
ständig den Heimweg an. Freilich, dieses
Idyll wird mitunter empfindlich gestört durch
die geradezu groteske Menge von Ungeziefer
aller Art, mit welcher die Wörther Umgegend
gesegnet ist. Wenn daher einer der Leser
ein Interesse daran haben sollte, sechsbeinige
hüpfende und geflügelte Raubtiere in unge-
heueren Massen versammelt zu sehen, so
kann ihm ein kurzer Aufenthalt in Wörth
nicht dringend genug empfohlen werden. In
Wolken kommen diese lieben Tierchen an-
geflogen und sorgen im Verein mit ihrem
Bundesgenossen, der allabendlich aus den
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Nähe der großen Stadt mit ihren Fabriken
ihren verderblichen Einfluß auf diese und
die wirtschaftlichen Verhältnisse ausgeübt:
die jungen, kräftigen Männer arbeiten in
diesen Großbetrieben, während das Bestellen
der Felder und die Ausübung der Landwirt-
schaft den älteren Leuten und Frauen über-
lassen bleibt. Mit welchem Erfolg, läßt sich
leicht denken.
Ein Gang durch die Hauptstraße macht
uns mit den schmucklosen Bauten der katho-
lischen und protestantischen Kirche bekannt,
von wo wir rechts abbiegen zum „Altrhein",
einem träge dahinschleichenden, fischreichen
Arm des etwa 3 km weiter östlich fließenden
Stromes. Durch großartige Dammanlagen sind
die bewohnten und angebauten Stätten vor
dem Hochwasser geschützt, das im Sommer
zur Zeit der Schneeschmelze in den Alpen
oft mit ungeahnter Schnelligkeit hereinbricht.
Eine Brücke führt uns auf die „Insel" mit
ihren weiten Kies- und Sandflächen. Dicht
verwachsene Weiher und Grundwassertümpel,
Gruppen alter, knorriger Weiden und hoch-
gewachsener Pappeln, dazwischen ausgedehntes
Weideland, saftig grüne Wiesen und Schilf,
weiter drüben dunkler Föhrenwald, rote Aecker
und gelbe Fruchtfelder: ein Dorado für Land-
schafter und Tiermaler.
Nicht selten, wenn über das Klima ge-
klagt wird, das naturgemäß während des heißen
Sommers in der Niederung mit seiner brütenden
Hitze und der bleiernen, erschlaffenden Luft
durch all die Ausdünstungen aus Sümpfen
und faulenden Wassern nicht gerade das ge-
sündeste ist, nicht selten wird gefragt: Warum
gerade nach Wörth?
Hier ist einer der Gründe. Wo gibt es
für den Tiermaler einen an landschaftlichem
Hintergrund so ausgiebigen Platz wie die
„Insel" in Wörth? Wo kann er das Modell
so ohne Rücksicht auf den Flurschaden stellen,
so ganz wie es ihm für seine Zwecke ge-
eignet erscheint? Hier steht ihm ein Raum
von nahezu einem Quadratkilometer zur freien,
schrankenlosen Benützung offen, ein Raum,
auf dem alle denkbaren Kombinationen von
Erde, Wiese, Luft, Wasser, Kies, Bäumen etc.
möglich sind. Und jeder Eingeweihte wird
wissen, daß eine Schule, eine Zahl von
zwanzig und mehr malenden Menschen einen
erklecklichen Raum beansprucht.
Eine für den Tiermaler sehr willkommene
Sitte ist die, daß das Vieh dort zur Feldarbeit
benützt und eingespannt wird. Es steht in-
folgedessen ruhiger im Freien, als wenn es
das ganze Jahr hindurch im Stall oder auf
der Weide gehalten wird, ein Umstand, der
besonders für den Anfänger äußerst schätz-
bar ist. Die Legende weiß sogar von ein-
zelnen idealen Modellen zu erzählen, welche
morgens ohne weiteres an den Malplatz trotten,
sich dort in der gewünschten Richtung auf-
stellen, um darin zu verharren, bis die Dorf-
uhr die Stunde der Fütterung verkündet.
Ein befriedigtes Brummen, eine kurze Wen-
dung und die „Malkuh" tritt ebenso selb-
ständig den Heimweg an. Freilich, dieses
Idyll wird mitunter empfindlich gestört durch
die geradezu groteske Menge von Ungeziefer
aller Art, mit welcher die Wörther Umgegend
gesegnet ist. Wenn daher einer der Leser
ein Interesse daran haben sollte, sechsbeinige
hüpfende und geflügelte Raubtiere in unge-
heueren Massen versammelt zu sehen, so
kann ihm ein kurzer Aufenthalt in Wörth
nicht dringend genug empfohlen werden. In
Wolken kommen diese lieben Tierchen an-
geflogen und sorgen im Verein mit ihrem
Bundesgenossen, der allabendlich aus den
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