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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 24.1908-1909

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Schleinitz, Otto von: Die Begründer der modernen Landschaftsmalerei: Crome, Constable und Turner
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https://doi.org/10.11588/diglit.12503#0062

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-b-Ssö> DIE BEGRÜNDER DER MODERNEN LANDSCHAFTSMALEREI <ä^c-

selbst mit den Worten: „Aus Trauer um Wil-
kie hätte ich gewünscht, die Segel, den Rauch
und die Reflexe noch schwärzer machen zu
können."

Des Meisters dritte Reise nach Italien bietet
den geeignetsten Anhalt, um ein von ihm be-
vorzugtes und in drei verschiedenen Stilen
aufgefaßtes Lieblingsthema „Venedig" zu be-
rühren. In der z. B. aus dem Jahre 1833
stammenden Version „Der große Kanal" er-
innert er stark an Canaletto, während er den-
selben Vorwurf „Canale Grande" (Abb. S. 55)
1835 mit realer topographischer Unterlage in
ein bewegtes und reizvolles Stimmungsbild
umwandelt, und endlich in dem 1843 geschaf-
fenen Werke „Seefahrt in Venedig" erblicken
wir nur ein wundervolles, farbenfreudiges
Phantasiegebilde der im Zauber gebannten
Lagunenstadt, von dem eine Reproduktion
leider keinen Begriff geben könnte. In dem-
selben Jahre und im gleichen Geiste, d. h.
der bisher nicht übertroffenen Gesamt- und
Charakterstimmung, wurde „Sol di Venezia"
vollendet.

Nachdem Turner in dem Gemälde „Regen,
Dampf und Schnelligkeit" (1844)(Abb.S.54J bis

an die Grenze des Erreichbarengegangen ist, trat
er in seine letzte, durch überspannte und er-
hitzte Phantasie gekennzeichnete Periode ein.
In zwei erst kürzlich zum Vorschein gekom-
menen Gemälden lernen wir schließlich den
Meister noch von einer bisher nicht erwähn-
ten künstlerischen Seite kennen. In dem See-
stück „Der Abendstern" erklingt eine lyrische
Note, und in dem figürlichen Sujet „Adonis
beim Aufbruch zur Jagd, von Venus Abschied
nehmend" — ein Bild, in dem die im großen
Stil gegebene wundervolle Landschaft nicht
die Hauptsache ist — glaubt man ein Werk
von Tizian vor sich zu haben. Mehrere hundert
seiner Schöpfungen und etwa 20000 Zeich-
nungen, Studien, Entwürfe und Skizzen ver-
machte Turner der englischen Nation, und
sein sehr bedeutendes Barvermögen sollte der
englischen Künstlerschaft zugute kommen.
Im großen und ganzen von seiner Zeit nicht
erkannt und auch von König Ludwig L von
Bayern abgelehnt, dem er das Gemälde „Wal-
halla" verehren wollte, starb dieser Titane ein-
sam, als Sonderling in einer elenden Dach-
wohnung, den Blick zum Himmel gewandt, mit
den Worten: „Ich glaube Gott ist die Sonne!"

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