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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 24.1908-1909

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Zur Museumsreform
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Schumann, Paul: Ein neues plastisches Werk von Max Klinger
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Von Ausstellungen und Sammlungen – Neue Denkmäler und Brunnen - Neue Kunstliteratur - Personal- u. Atelier-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.12503#0167

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-*-4^> EIN NEUES PLASTISCHES WERK VON MAX KLINGER <&=^

graphischen Sammlungen sein und als solche je
nach Laune des jeweiligen Direktors bald ausgebaut,
bald vernachlässigt werden. Das erscheint nicht an-
gemessen der Bedeutung, die solchen Reproduktions-
sammlungen zukommt. Sie helfen den Original-
sammlungen in der Erfüllung einer doppelten Pflicht:
der, das Quantum an Kunstgenuß nach Möglichkeit
zu steigern, und der, die Mittel für ein wissenschaft-
liches Studium der Zusammenhänge zu bieten. >Eine
Vorsicht, nicht mit den Originalsammlungen zu sehr
in die Breite zu gehen, scheint heute dringend ge-
boten. Der Kunstgenuß wird dadurch nicht erhöht.
Er läßt sich nur durch Zuführung des wenigen Aller-
besten vermehren. Die Wissenschaft aber wird durch
die Ausgestaltung von Reproduktionssammlungen in
dem angedeuteten Sinne vollauf befriedigt werden.«

EIN NEUES PLASTISCHES WERK

VON MAX KLINGER

PvRESDEN. Ein neues plastisches Werk von Max
Klinger ist jetzt in der Galerie Ernst Arnold in
Dresden ausgestellt, ein Athlet in Abwehrstellung,
wohl die reifste Frucht, die aus Klingers Studium
des athletischen Menschen hervorgegangen ist. Dieses
Studium war ernst genug. Hat doch der Künstler
monatelang einen hervorragend schön gebauten Ath-
leten bei sich im Atelier gehabt. Im Gegensatz zu
der Statuette des ruhenden Athleten mit über dem
Hinterkopf gekreuzten Armen hat Klinger diesmal
seinen Athleten überlebensgroß dargestellt und da-
durch das Gewaltige auch augenfällig wirksam ge-
macht. Der starke Kämpfer ist auf das Knie ge-
worfen. Er ruht voll auf dem ganzen linken Unter-
schenkel von der Spitze der großen Zehe bis zum
Knie auf dem Boden auf, den rechten Fuß hat er
fest vorgestellt, der Körper wendet sich in pracht-
voller Biegung rückwärts und aufwärts dem Gegner
zu, ihm sind auch beide Hände mit gespreizten
Fingern zugewendet, die linke unten zwischen den
Muskeln den Unterleib deckend, die rechte hoch
emporgehoben zum Schutze von Kopf und Brust.
Klinger hat mit überlegener Sicherheit den frucht-
baren Moment zur Darstellung gewählt, einen jener
Momente, bei denen »die Notwendigkeit der im
nächsten Augenblick eintretenden physischen Be-
wegung anschaulich gegeben ist«. Der prachtvolle
Rhythmus der Bewegung, d. i. die volle Einheit aller
bewegenden und bewegten Teile des Körpers offen-
bart sich in überaus lebendigen Silhouetten, die von
allen Seiten ganz verschiedene überaus wirksame
Bilder ergeben. Von vorn sehen wir am besten
das Zusammengedrückte der Haltung, die ganze
Brust von vorn, das Gesicht im verkürzten Profil
von der Stirn aus, dazu die sprechende Haltung
beider Arme und Hände, die einander unterstützen
wie Vorhut und Hauptheer, nicht minder die beiden
Beine in ihrer gegensätzlichen Stellung festen Auf-
ruhens und der Vorbereitung zum Aufrichten. Die
Stellung zeigt die Geberden des Trotzes (Anspan-
nung nach oben), der gespannten Erwartung des
Angriffs. Gehen wir nach links, so sehen wir die
energische Rückwärtsbiegung des Körpers, die Ge-
berde der Energie; in den Vordergrund tritt hier
das rechte Bein mit dem kraftvoll-elastischen Ober-
schenkel, die Kampfstellung zur Abwehr des An-
griffs von oben. Gehen wir nach rechts, so sehen
wir vor allem den prachtvoll durchgebildeten Rücken
mit der geschwungenen Rückenfurche, die mannig-
faltige Linienführung, die wohlberechnete Verteilung
der Massen; die Silhouette ist von hier aus am

geschlossensten. Von vorn unterscheiden wir an
dem athletischen Körper ein Unten und ein Oben,
von links ein Vorn und ein Hinten, von rechts
kommt uns die Geschlossenheit des Ganzen, die
Einheit, zu der das feste Haften am Boden und die
Bewegung nach oben verschmolzen sind, am besten
zum Bewußtsein. Von den vorhandenen Bildwerken
ähnlicher Art kommt uns am ehesten der antike
verwundete Gallier im Louvre in den Sinn, der na-
mentlich in der Beinstellung etwas Aehnliches hat.
Indes Klinger hat selbstverständlich sein Motiv ganz
selbständig und zwar meisterhaft auf Grund eigenen
Naturstudiums durchgeführt. Die breite, flächige
Behandlung, die sich nirgends in Einzelheiten ver-
liert, verstärkt den Eindruck des bedeutsamen Werks
wesentlich. Es nimmt den Beschauer nach jeder
Richtung mächtig in Anspruch — nach der formellen,
die wir zu schildern versucht haben, wie nach der
Seite der Phantasie. Sie zeigt uns den gewaltigen
Gegner, der solch einen Kämpfer niederzwang;
und wir sehen den weiteren Kampf sich entspinnen,
noch ist ja der Sieg nicht entschieden, noch be-
seelt den Geworfenen die volle Kraft, die volle
Energie, er wird sich emporraffen und vielleicht den
Sieg erringen. Paul Schumann

VON AUSSTELLUNGEN

UND SAMMLUNGEN

T EIPZIG. Der Kunstverein widmete seine erste
*-' Ausstellung Wilhelm Trübner. Werke aus
allen Epochen seiner Entwicklung waren vereinigt
worden, teilweise nicht die besten, so daß darunter
das Ensemble litt. Hervorragend schön waren seine
Landschaften, namentlich einige Herbstbilder und
einige Parkausschnitte, die in ihrer reichen Grün-
nuancierung mit fabelhafter Sicherheit hingestrichen
waren. — Weiter ist noch eine größere Ausstellung
von Paul Meierheim und zwei Gedächtnisaus-
stellungen zu erwähnen. Von Carl Werner, dem
längst verstorbenen Leipziger Aquarellisten, werden
eine Reihe ausgezeichneter und delikat gearbeiteter
Städteansichten und Interieurs gezeigt; von Marie
Gey-Heinze, erst in diesem Jahre hier verstorben,
wird uns der gesamte Nachlaß vorgeführt, der aller-
dings erkennen läßt, daß in ihr eine begabte und
entwicklungsfähige Künstlerin dahingegangen ist. —
Bei Beyer & Sohn hat der Münchener Secessionist
Fritz Osswald etwa 30 frische und wagemutige
landschaftliche Studien und Stilleben ausgestellt.
Am vortrefflichsten sind einige Winterbilder und
etliche Stilleben (Rosen, Tulpen). Mit der Figur
steht der Künstler noch auf gespanntem Fuß. —
Von der vom Salon Del Vecchio arrangierten Aus-
stellung möchte ich vor allem die Gemälde von
Franz Hecker nicht unerwähnt lassen. grimm

MÜNCHEN. Leo Putz hat in zwei Räumen der
> Modernen Kunsthandlung^ mehrere seiner
jüngsten Arbeiten ausgestellt. Sie zeigen den tüchti-
gen Künstler in unermüdlichem Vorwärtsschreiten.
Die vielen Erfolge, die ihm gelacht, haben ihn nicht
etwa veranlaßt, stehen zu bleiben, sondern sie trieben
ihn zu stets neuen Problemen. So versuchte er,
zwei tiefe, satte Blau, die aber energisch nuanciert
sind, nebeneinanderzustellen und wiederum mit
einem sehr delikaten Frauenkopf in Beziehung zu
setzen; und dieser Versuch gelang und führte Putz
zu einigen seiner schönsten und interessantesten
Figurenbilder. Nicht minder gelang es ihm, in der
Fleischmalerei vorwärts zu kommen. Wir erinnern
uns noch, daß er die Körperpartien früher etwas

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