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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 24.1908-1909

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Kuzmány, Karl Michael: Die russische Ausstellung in der Wiener Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.12503#0197

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-3-4=ö> DIE RUSSISCHE AUSSTELLUNG IN DER WIENER SECESSION <^=s=^-

caspar ritter bildnis des schriftstellers j.c. heer

gilt A. Wasnezoff, der aber vornehmlich durch
meisterhafte Landschaften hier vertreten ist. Von
der russischen Volksseele, von ihrer träumerisch
lässigen Neigung, gibt durch das Porträt eines Jüng-
lings W. Seroff, durch das des Dichters S. Goro-
dezky auch Kustodjeff einen Begriff. An den nationalen
Stil, wie er in der Bauweise von Blockhäusern mit
greller Bemalung und Schnitzwerk sich ausdrückt,
sucht S. Maljutin zu erinnern und geht so weit,
in ein primitives Holzrelief seine rein malerischen
Absichten zu übersetzen. Neben diesen architekto-
nischen Entwürfen Maljutins gehören die sauberen
Blätter von J. Bilibin zu den sympathischesten
Erscheinungen der Ausstellung: leicht kolorierte
Aufnahmen von Volkstrachten, ansprechend archai-
sierende Illustrationen zu Märchen und sonstiger
Buchschmuck, der seine Anleihen nicht in der Fremde
macht. M. Dobuschinski schwankt zwischen wirk-
lichkeitsgetreuen Aufnahmen alter Winkel in Wilna
und grotesk übertreibenden Schilderungen von Lon-
donerStraßenszenerien, stilistisch unentschieden wie
auch die graphischen Arbeiten der Frau A. Ostrou-
mova-Ljebedewa. In keinem begegnen sich so
viele Einflüsse wie in N. Theofilaktow, in dem
Beardsley und Vogeler und dann wieder persische
Eigentümlichkeiten sich mischen, und in B. Jaku-
loff, der bald zu den Japanern, bald zu Gauguin
übergreift. Die kaum zu enträtselnden Phantasien
von N. Ssapunoff, die von einem taumeligen
Rokoko erfüllten Ballettszenen des S. Ssudejkin
und sein >Fiesole<, dessen Titel nur durch hinein

versetzten Engel des Fra Angelico gerechtfertigt ist,
gehen lediglich auf die Sensation lüsterner Farben
aus. Dasselbe strebt auch N. Miliotti an, auf
dessen >Mariä Verkündigung« der Engel in ein
Chromgelbes, Maria in ein rosa Geriesel sich auf-
löst. Es mag ein Stück Farbenmystik in derlei Ein-
fällen verborgen sein und vielleicht sogar echte
Brutalität, wenn B. Anisfeld lasurblaue Statuen
von den herbstbraunen Laubwänden eines Parkes
sich abheben läßt, in den eine kalkweiße figurale
Staffage und ein glaubwürdiger Springbrunnen dis-
harmonisch gesetzt sind. Von anderen Tollheiten
und Atelierspäßen, denen man nicht einmal Methode
nachrühmen kann, zu schweigen. Der empfindsame
B. Mussatoff hätte dagegen einen guten Wider-
hall geboten, aber statt an seine wenig besagende
Studie wird man sich an den schönen, tieftonigen
>Maiabend< seines Gesinnungsgenossen P. Nilus
halten müssen. In dem Saal der Neo-Impressionisten
rastet das Auge bei den dekorativen Landschaften
von N. Krymoff, deren beste in der stilistischen
Fassung an die Gemälde des Claude Lorrain,
durch die kalkig kühlen Farben an verblaßte Wand-
gemälde oder Gobelins gemahnen. Abseits von dem
Schwärm der vermeintlich freien Geister und von
den mit historischen Formen Spielenden steht
N. Roehrich. Neu ist er uns ja nicht, aber seine
rege Phantasie und die volkstümliche Echtheit seines
Schaffens fesseln mit ungeminderter Stärke. Aus
seinen Skizzen für Mosaik strahlt der schwere Glanz
der alten byzantinischen Sakralkunst; in die um Jahr-

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