Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 24.1908-1909

DOI Artikel:
Schmidt, Robert: Belgische Kunst in der Berliner Secession
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12503#0205

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
emile fabry

der koloniale aufschwung

Belgische Ausstellung, Berlin

BELGISCHE KUNST IN DER BERLINER SECESSION

Von Robert Schmidt

Niemand wird behaupten können, daß wir
hier in Berlin an einem Mangel an Aus-
stellungen litten. Dem regen Besuch nach,
den man fast stets beobachten kann, scheinen
die Kunstrevuen auch wirklich einem Be-
dürfnis zu entsprechen; leider aber kann man
nicht immer zugeben, daß eine dringende Not-
wendigkeit dazu vorgelegen hätte. Umsomehr
ist man erfreut, wenn man einmal mit gutem
Gewissen berichten kann, daß eine solche
Veranstaltung für den, der sich ernsthaft mit
ihr beschäftigt, einen wirklichen Gewinn be-
deutet. Und das ist der Fall bei der Aus-
stellung belgischer Kunst, die uns augen-
blicklich in den Räumen der Secession ge-
boten wird. Nicht nur der Historiker kommt
bei ihr zu seinem Recht, auch der voraus-
setzungsloseste Laie wird den Gang zu den
Belgiern nicht bereuen. Und wer empfäng-
lich dafür ist, der kann ein ganz Stück Kultur
von ihnen mit nach Hause nehmen. Kultur ver-
breiten kann nur der, der ihrer selbst besitzt.
Die Belgier haben genugsam davon; man merkt,

daß diese Saat auf einem Boden aufgegangen
ist, der schon manche reiche künstlerische
Ernte gezeitigt hat. Man denkt an die kraft-
strotzende Lebensbejahung in den Werken der
Rubens und Jordaens, an die raufenden, saufen-
den Prachtkerle Brouwers und auch an die
feinfühligen, vornehmen Menschen van Dycks.
Das alles scheint auch den heutigen Belgiern
noch im Blute zu liegen, und wenn sie heute
sich noch in stärkeren Gefühlsgegensätzen
zu bewegen scheinen, so mag dazu die neue
Umgebung beigetragen haben, der gewaltige
Zwiespalt im sozialen Leben, der kaum in
einem anderen Lande auf so engem Gebiet
sich stärker entwickelt hat als in Belgien.
Belgien ist das Land der Gegensätze: hier
üppiges Weideland mit seinen endlosen, fried-
lichen Flächen und ruhigen Formen, dort rau-
chende Schlote, nervenzerrüttende, schwere
Maulwurfsarbeit, dampfende Schlackenberge;
la Bruges morte mit seinen versandeten stillen
Kanälen, mit seinen Obstgärten innerhalb der
verfallenden Mauern, mit dem seltsamen Duft

Die Kunst für Alle XXIV. 8. 15. Januar 19C9.

177

21
 
Annotationen