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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 24.1908-1909

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Von Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.12503#0304

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VON AUSSTELLUNGEN

DERLIN. Es ist immer ein Experiment, Lenbach-
sehe Porträts in Mengen nebeneinander vorzu-
führen, wie es Keiler & Reiner tun. Man kommt dann
zu leicht in Versuchung, von »Mache« zu sprechen.
Immerhin hinterlassen diese Dutzende von Bismarck-
köpfen — gute und schlechte — einen starken Ein-
druck. Im Kunstsalon Rablhängen neben Kollektionen
von H. P. Feddersen und Julius Schräg mehrere
kleine Interieurs von H. de Braekeleer, auf den
weitere Kreise durch die letzte Belgische Ausstellung
aufmerksam wurden; bescheidene Dinge, aber inter-
essant durch delikate Tonwerte. Ferner von Hans
Thoma eine Italienerin vom Jahre 1880; spröde in
der Malerei, groß in der Formgebung. Bei Cassirer
sind von Henri Matisse einige sehr feine Akt-
zeichnungen ausgestellt. Das übrige, Malerei wie
Plastik: Wahnsinn. Man kommt sich vor wie im
Tollhaus. In den Bildern ist eine strenge Reduktion
auf einfachste Formen und Farben angestrebt, — sie
sollen dekorativ wirken. Unglückseliger Begriff! Es
gibt scheinbar keinen Unterschied mehr zwischen
den Forderungen, die ein dekoratives Tafelbild, das
für ein Zimmer gemalt ist, und denen, die ein Plakat
verlangt. Und selbst für Säulenreklame wären manche
dieser Dinge zu aufdringlich, zu roh. Im einzelnen
findet man dabei raffinierte Feinheiten farbiger Zu-
sammenstellungen und sichere Zeichnung; daß Ma-
tisse, ehe er sich in diese Manie verrannte, malen
konnte, zeigen einige frühe Arbeiten. — Ist das
wirklich noch Kunst? Es ist ein Zeichen für die
Verwirrung unserer Zeit in künstlerischen Fragen,
daß es wahrhaftig Leute gibt, die ob solcher Werke
in Verzückung geraten. Aber es ist ja richtig: man
weiß heute niemals mehr, ob man sich nicht gewaltig
blamiert, wenn man Dinge nicht schön findet, die
von den Kunstpäpsten als die höchste Offenbarung
künstlerischen Geistes auf den Schild gehoben wer-
den. — Nicht wahr? — Ueber die Malereien, die
den Farbentuben von Benno Berneis entquollen
sind, will ich schweigen. r. s.

CTUTTGART. Zu den ältesten Künstlern unserer
^ Stadt gehören Carl von Häberlin und Fried-
rich Keller. Beide sind in Württemberg, Häberlin
1832, Keller 1840 geboren. Diese beiden Maler treten
nun an einem und demselben Tage mit großen Kol-
lektionen vor die Oeffentlichkeit. C. von Häberlins im
württembergischen Kunstvereinausgeste]\te Kollektion
zeigt die Arbeiten der letzten Jahre, daruntereine»Chri-
stenverfolgung«, die noch ganz Piloty ist, ein großes
überaus sorgsam durchgebildetes Familienbildnis > Im
Garten« und eine Reihe kleiner Landschaften, die in
ihrer gediegenen Zeichnung der landschaftlichen For-
men und meist auch geschmackvollen Tonstimmung
beim Publikum raschen Anklang fanden. — Weit um-
fangreicherist dievomStuttgarterGalerievereinim Mu-
seum der bildenden Künste veranstaltete Ausstellung
von Werken Friedrich Kellers. Es dürfte von dem
Lebenswerke Kellers in dieser Ausstellung nicht viel
fehlen, insbesondere ist die Periode von 1871 —1883,
die Keller in München verbrachte, durch zahlreiche
Werke ausPrivatbesitz aufs beste vertreten. Während
indessen bei Häberlin die Pilotyschule stark herein-
klingt, ist bei Keller die schwere bunte Pracht Piloty-
scher und Makartscher Koloristik, deren prangende
glanzvolle Inszenierung durch nüchternen Wirklich-
keitssinn wenig gedämpft wurde, nur in einigenSkizzen,
»Disputation zu Salamanka<, »Maler auf der Studien-
reise«, »Grablegung« u.a.m. aus den siebziger]ahren zu
verspüren, freilich auch in Einzelheiten der großen
»Steinbrecher« aus dem Jahre 1879. Ganz famos ist

eine Interieurstudie, die in der tiefsonnigen schwärz-
lichen Pracht der Tonstimmung an Munkacsy's Art
gemahnt, dann eine kleine Landschaft von zartem
Silberton, an Glanz und Schönheit des Tons eine
der feinsten Malereien in dieser Ausstellung, ferner
die »Trinkenden Bauern« aus Meister Defreggers Be-
sitz, ein Genrebild, aber eines, das nicht nur erzählen,
sondern vor allem ein gutes Stück Malerei bringen
will und eine Reihe von Steinbruchstudien, in denen
die gelblichsonnigen Töne des Steinbruchs und die
bläulich violett schimmernden Farben von Bretter-
hütten und Steinwägen mit höchster Delikatesse ver-
woben sind. Auch orientalische Studien, darunter
flottgemalte Tierstücke, Kamele, die einer Reise nach
Jerusalem entstammen, finden wir. h. t.

^^IEN. Die Secession hat eine in der Hauptsache
" graphische Ausstellung eröffnet, zu der sie die
Kollektionen dreier wesensfremder Künstler ver-
einigte; aber im gebührenden Abstände behaupten
sie sich gegeneinander recht wohl. Ueberragend
ist Frank Brangwyn, selbst wenn man, wie es
hier geschah, seine Oelgemälde und die großen deko-
rativen Entwürfe außer Betracht läßt. Unter den
nahezu hundert Blättern sind es die zahlreichen
Radierungen, aus denen am eindringlichsten seine
Meisterschaft der Zeichnung und der Lichtkompo-
sition hervorgeht. Brangwyn, der Weltfahrer, holt
sich die Motive aus dem Orient und aus Italien,
aus den alten flämischen Städten und schier am er-
giebigsten aus England. Sind es dort das Volks-
treiben und die vom Zauber des Alters umwitterten
Baudenkmäler, die ihn fesseln, so verweilt er hier
mit Vorliebe bei dem arbeitenden Volke in allen
seinen Verrichtungen in Fabriken und auf den Werften.
Die kühn entworfenen Radierungen zeigen die hand-
festen Leute noch viel unmittelbarer, als es durch
den pathetischen Meunier geschehen ist, und aus
Schatten und aus Qualm wachsen Kolosse der mo-
dernen Technik wie Monumente der Zeit hervor, in
der Brangwyn als ihr künstlerischer Apostel kaum
seinesgleichen hat. Neben ihm, dem impetuosen
Beherrscher der großen radierten Fläche, erscheint
der Dresdener Otto Fischer als ein behutsam
leiser Lyriker. Nach langem Ringen um den eigenen
Stil, wobei er immer beizeiten dem lockenden Ein-
fluß, sei es Klingers, sei es Whistlers, sich zu ent-
ziehen wußte, hat er am schönsten in den mit der
kalten Nadel gearbeiteten Blättern sich selbst ge-
funden. Ihm sagt am besten zu, was in der Land-
schaft abseits von dem Treiben der Heerstraße liegt,
wie denn auch die Ansichten aus dem Hamburger
Hafengebiet seltener den Tumult des Verkehrs als
wohlige ruhige Wasserspiegel aufsuchen. Eine Reihe
von Pastellen, die zur Winterszeit im Riesengebirge
entstanden, geben vornehmlich die feuchtschwere
Atmosphäre und die unter dem Schnee schlafende
Erde wieder. Endlich, als dritter im ungleichen
Bunde, der Wiener Aquarellist Ludwig Rösch. Er
ist erst vor etwa zwei Jahren von seinem bis zur
Höhe des Mannesalters währenden Aufenthalt im
Auslande heimgekehrt. Was er jetzt aus seinen Map-
pen an die Oeffentlichkeit bringt, stammt, von einigen
jüngst in Assisi und in Wien entstandenen Aqua-
rellen abgesehen, aus Spanien, wo es ihm die Archi-
tekturen von Sevilla und Cuenca angetan haben.
Wie alle aus der früheren akademischen Lehre her-
vorgegangenen Landschafter huldigte auch Rösch,
obwohl er sich bald jedem Zwang entzogen hat, an-
fangs dem spitzpinseligen Vortrag; die verführerische
Eleganz ist ihm geblieben, aber sie wird überschim-
mert von den leichtflüssigen Tönen der Wasser-
farben, zu naturwahrer Durchsichtigkeit. k. ^

Redaktionsschluß: 26. Januar 1909 Ausgabe: 11. Februar 1909

Für die Redaktion verantwortlich: F. Schwärtz. — Druck und Verlag von F. Bruckmann A.-G. — Beide in München
 
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