Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 24.1908-1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.12503#0465
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Konsbrück, H.: Über Naturstudium, [1]
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-a-fiÖ> ÜBER NATURSTUDIUM <^^-
JOHN LAVERY JUGEND UND ALTER
täte falsch waren. Die Methode versagt plötz- können, wie ein Fruchtstück, einen Baum,
lieh bei einer Neuerscheinung, das System ein Tier, wie einen Kopf, oder einen Akt.
stimmt nicht mehr—ich wurde hier hilfloser Wasser, Meermalen, was mir in meinem
als ein Kind. Und dabei war ich hierherge- Haushalt und Bestand noch fehlte, mußte hin-
kommen, um Wasser, bewegtes Meer malen zugelernt werden; dann, so wähnte ich, hätte
zu lernen. Technisch begabt, zweifelte ich ich die Welt schildern können, und gerade
nicht an dem Erfolg — denn ich bezwang bisher bei diesem letzten der Faktoren, da versagt
jedes Objekt — und nun sitze ich hier schon mein Können und meine Kunst; jede Welle,
seit Wochen, male Wasser — und es geht dieandiesenKIippenzerschellt,isteindröhnen-
nicht. Wäre ich ein asiatischer Despot — des Spottlied auf mein Tun! Sagen Sie mir,
ich ließe dieses der Darstellung trotzende Un- bitte: können Sie einen Akt malen, der jede
geheuer „Meer" mit Geißeln peitschen — als Sekunde eine andere Pose einnimmt??"
deutscher Maler darf ich mich nach meiner Der zweite Maler: „Das kann ich natürlich
täglichen Niederlage täglich an Wein berau- nicht, das ist unmöglich, aber Ihre Frage läßt
sehen. Es ist elend, verteufelt elend". mich klarer sehen: Sie leiden unter der Beweg-
Der zweite Maler: „Ich verstehe Ihren Gram lichkeit Ihres Modells, der See, und sind außer
nicht ganz, trotzdem ich seine Intensität fühle. Stande, einen der ewig wechselnden Zustände
Sprechen Sie deutlicher, vielleicht kann ich festzuhalten! Es fehlt Ihnen an Zeit, an Be-
Ihnen raten". wegungsschnelligkeit!"
Der erste Maler: „Deutlicher sein, das will ich Der erste Maler: „Das ist's! Das ist's ja ge-
gern — daß Sie mir indessen raten oder helfen radeü Man kommt der Modellerscheinung
können, das bezweifle ich aus guten Gründen, nicht nach! Wandere ich mit meinem Mal-
Wie ich Ihnen sagte, kam ich an diese Küste kästen durch eine Heide, dann habe ich bei
in der Meinung, daß das ewige Meer ein Fleiß und Geschicklichkeit eine Viertelstunde
„Objekt", gleichsam ein Modell sei. — Ich Zeit, um die Stimmung wenigstens skizzen-
glaubte, man müsse es darstellen, wiedergeben haft festzuhalten. Es geht — : 15 Minuten
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JOHN LAVERY JUGEND UND ALTER
täte falsch waren. Die Methode versagt plötz- können, wie ein Fruchtstück, einen Baum,
lieh bei einer Neuerscheinung, das System ein Tier, wie einen Kopf, oder einen Akt.
stimmt nicht mehr—ich wurde hier hilfloser Wasser, Meermalen, was mir in meinem
als ein Kind. Und dabei war ich hierherge- Haushalt und Bestand noch fehlte, mußte hin-
kommen, um Wasser, bewegtes Meer malen zugelernt werden; dann, so wähnte ich, hätte
zu lernen. Technisch begabt, zweifelte ich ich die Welt schildern können, und gerade
nicht an dem Erfolg — denn ich bezwang bisher bei diesem letzten der Faktoren, da versagt
jedes Objekt — und nun sitze ich hier schon mein Können und meine Kunst; jede Welle,
seit Wochen, male Wasser — und es geht dieandiesenKIippenzerschellt,isteindröhnen-
nicht. Wäre ich ein asiatischer Despot — des Spottlied auf mein Tun! Sagen Sie mir,
ich ließe dieses der Darstellung trotzende Un- bitte: können Sie einen Akt malen, der jede
geheuer „Meer" mit Geißeln peitschen — als Sekunde eine andere Pose einnimmt??"
deutscher Maler darf ich mich nach meiner Der zweite Maler: „Das kann ich natürlich
täglichen Niederlage täglich an Wein berau- nicht, das ist unmöglich, aber Ihre Frage läßt
sehen. Es ist elend, verteufelt elend". mich klarer sehen: Sie leiden unter der Beweg-
Der zweite Maler: „Ich verstehe Ihren Gram lichkeit Ihres Modells, der See, und sind außer
nicht ganz, trotzdem ich seine Intensität fühle. Stande, einen der ewig wechselnden Zustände
Sprechen Sie deutlicher, vielleicht kann ich festzuhalten! Es fehlt Ihnen an Zeit, an Be-
Ihnen raten". wegungsschnelligkeit!"
Der erste Maler: „Deutlicher sein, das will ich Der erste Maler: „Das ist's! Das ist's ja ge-
gern — daß Sie mir indessen raten oder helfen radeü Man kommt der Modellerscheinung
können, das bezweifle ich aus guten Gründen, nicht nach! Wandere ich mit meinem Mal-
Wie ich Ihnen sagte, kam ich an diese Küste kästen durch eine Heide, dann habe ich bei
in der Meinung, daß das ewige Meer ein Fleiß und Geschicklichkeit eine Viertelstunde
„Objekt", gleichsam ein Modell sei. — Ich Zeit, um die Stimmung wenigstens skizzen-
glaubte, man müsse es darstellen, wiedergeben haft festzuhalten. Es geht — : 15 Minuten
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