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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 24.1908-1909

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Lázár, Béla: Briefe eines ungarischen Piloty-Schülers
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https://doi.org/10.11588/diglit.12503#0574

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-b-£Ö> BRIEFE EINES UNGARISCHEN PILOTY-SCHÜLERS <^ü~

dem auch in Szinyeis Leben eine ent-
scheidende Wendung. Am 9. August 1869
schrieb er seinem Vater: „Die hiesige
Ausstellung war ganz großartig, sie über-
traf alle Erwartungen. Für mich war
sie von großer Bedeutung; es war die
erste Gelegenheit, die hiesige Schule
mit andern zu vergleichen und den außer
Zweifel stehenden Sieg der Franzosen
zu sehen. Vor allem konnte ich den
schädlichen Einfluß der Schulen beob-
achten. Zwar ist dieser Einfluß eine
Zeitlang unumgänglich notwendig, doch
später ertötet er jede Originalität. Und
diese ist doch der größte Schatz des
Künstlers, den er — weil er so leicht
verloren geht — eifersüchtig bewahren
sollte. Ich erinnere mich lebhaft an
Deine Worte, nicht bei einem Meister
zu bleiben, sondern in der Welt Um-
schau zu halten. Du sagtest eine große
Wahrheit! Ich bin entschlossen, aus
Pilotys Schule auszutreten und von nun
an einem Lehrer zu folgen, der mich
bestens leiten wird. Dieser Lehrer ist
die Natur. Vorläufig miete ich mir hier
ein Atelier. Es ist unbedingt notwendig,
fritz burger bildnis daß ich ein halbes Jahr ohne Störung

Glaspaiast München 1909 arbeite; und das kann ich hier am be-

sten. Ich muß die vielen neuen Ein-
allen Menschen etwas herauszulocken und drücke des letzten halben Jahres in Ruhe
zwingt sie gleichsam sich selbst zu über- verarbeiten. Ich darf sie nicht durch eine
treffen. Als ich schon dachte, mein Bild neue Reise vermehren, sonst entsteht ein
nähere sich der Vollendung, fand er vieles Chaos daraus, das mir nicht Nutzen, sondern
daran auszusetzen. Er sagte, ich müsse den nur Schaden bringen kann. Ich gehe also eine
Kopf übermalen, der sei nichts nütze; hier Woche aufs Land, Studien zu malen" . . . .
und dort müsse ich Aenderungen vornehmen. Wie deutlich sah er mit einem Male seine
Piloty reiste gerade damals aufs Land, doch Zukunft! Mit welcher Sicherheit erkannte er
versprach er mir, jeden Freitag hereinzu- den Einfluß, der auf ihn wirkte, und den Weg,
kommen, um meine Arbeit zu korrigieren, den er gehen mußte! Sein Vater rief ihn nach
Nun saß ich da! Da die andern Teile des Hause, doch ging er nicht und schrieb in einem
Bildes nach der Natur gezeichnet waren, paßte späteren Brief: „Die Ausstellung hat mich so
der Kopf, den ich aus dem Gedächtnis kom- aus dem Geleise gebracht, daß ich nur sehen,
poniert hatte, nicht hinein. Wo sollte ich staunen und lernen konnte, doch an meinen
nun unter den hiesigen Gestalten einen Kopf Bildern zu arbeiten nicht imstande war. Ich
für meinen Faun finden? Da half mir ein habe jede Exaltation überwunden und bin jetzt
junger, griechischer Maler aus der Verlegen- in dem Stadium, ein Bild zu beginnen, um die
heit. Dieser schien auf seinen charakteristi- Eindrücke zu verwerten, die noch frisch und
sehen Faunkopf stolz zu sein und nahm es warm in meinem Gedächtnis leben."
mir fast übel, daß ich einen Faun male, ohne Also ein neuer beredter Beweis von der
ihn als Modell zu benützen. Natürlich griff Wirkung der Münchner internationalen Aus-
ich zu und der Professor war bei seinem Stellung!

nächsten Besuche zufrieden." Er trat dann, wie auch Leibi, aus Pilotys

Aus all diesen Briefen fühlt man deutlich Schule aus, doch blieben die dort erhaltenen

die große Verehrung, die Szinyei für seinen Eindrücke für immer von günstiger Wirkung

Meister hegte. auf seine Kunst, — was der Meister auch

Die große internationale Ausstellung von jetzt noch gerne erwähnt.

1869 aber brachte nicht nur in Leibis, son- Dr. Bela Läzär

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