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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 6.1859

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7. Heft
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Miszellen
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Korrespondenzen
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https://doi.org/10.11588/diglit.18469#0020

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16

Räume der Kirchen und Kapellen, die Krppten,
Gewölbe u. dgl.

Sorrespondenzen.

Aus Schwaben, Müte April. (Korresp.) Es
ist eine durch die Erfahrung nur zu sehr bestätigte
Wahrheit, daß sich eine tiefeingewurzelte Gewohn-
heit, möge sie auch noch so sehr der gesunden Ver-
nunft oder erkannten Gesetzen widersprechen, trotz
der bessern Erkenntniß mehr oder weniger Jahre
lang erhält und uns in dem Zauberkreis des alten
Gebrauchs festgebannt hält. So läßt es sich auch in
Bezug auf die Bestrebungen für Restauration der
christlichen Kunst nur aus dieser vis iusrtiuo
(Bleigewicht) der Gewohnheit erklären, daß bei
den ueuesten Restaurationen in unsern Kirchen ge-
müthlich und weidlich im breiten Geleise des alten
Zopfstyls fortgearbeitet wird. Es ist, als ob auch
nicht das Mindeste für Erkenntniß der wahren christ-
lichen Kunst, für Verständniß der lang mißkannten
kirchlichen Ueberlieferungen geschehen, als ob man
noch rathlos wäre, wie vor 10—15 Jahren, wenn
man für Herstellung, Verschönerung der Gottes-
häuser und ihres Mobiliars Etwas thun will. Und
doch sind in kurzer Zeit fast von allen Seiten Auf-
klärungen, Erfahrungen, Fingerzeige, Studien
über einzelne Gegenstände, so wie über das Wesen
und den Geist der christlicheu Kunst zu Tage geför-
dert wordeu. Es konnte seiner Zeit kaum auffal-
len, wenn man einem renomirten Gothikkünstler
oder Schreiner von da oder dorther, wo irgend
ein Zopfaltar vergilbt war, nur in Bausch und
Bogen einen neuen Altar, wobei höchstens so und
so viel Vergoldung ausbedungen wurde, in Auf-
trag gab. Wer aber jetzt die „Studien über
den Altar", oder die „Kirche und die Kunst",
oder Reichenspergers „Fingerzeige", oder nur
Giefers „praktische Erfahrungen" gelesen
— und wer, der sich nicht allem Fortschritte ver-
fchließen will, kann eine solche Lectüre auf der
Seite liegen lassen? — sollte jetzt unmöglich
mehr einen Altaraufbau mit vergoldeten Säu-
len und Schnickschnack auf einer ärmlichst an-
gestrichenen Mensa sick, bestellen oder bieten lassen
können. Und doch ist es Thatsache, wenn ich
sage, daß mir neulich einer der bessereu Knnst-
arbeiter auf meine Frage, wie er folch einen
Zopf wieder auffrischen oder gar neu machen
möge, zur Antwvrt gab: der und der Herr
Pfarrer verlange es so, gegen die Vorstellun-

gen, die er ihm zu Gunsten eines bessern Styls
gemacht habe. Für eine, allerdings im württem-
bergisch „byzantinischen" Style, neuerbaute Kirche
läßt ein betreffender Pfarrer, der doch frei über
das meist von der Gemeinde dazu gesammelte Geld
verfügen kann, einen ganz gewöhnlichen Zopfauf-
bau neu verfertigen, ohne je nur sich um ein Ur-
theil eines Kunstverständigeu umzusehen. An ei-
nem andern Orte sind mit theurem Gelde drei schr
schlechte Zopfaltäre erst voriges Jahr noch neu ge-
faßt wvrdeu — mitten in den Bestrebungen des
christlichen Kunstvereins, und zwar in einem Orte,
in dessen nächster Nähe schon einmal eine große
Vereinsversammlung getagthat. Jn einer Gegend,
die nicht wenige rühmliche Früchte der neuen Kunst-
bestrebungen aufzuweisen hat, wollten neulich die
allergewöhnlichsten rohesten Zopfholzleuchter einem
Schreiner zur Nachbildung gegeben werden, als
ein guter Freund zu guter Zeit noch bessere Muster
unterzuschieben wußte. Angesichts solcher Erschei-
nungen begreift sichs, daß ein bifchöfliches Ordi-
nariat die Anvrdnuug ergeheu ließ: ohne vorgän-
gige höhere Erlaubniß keine das kirchliche Kunft-
gebiet berührenden Restaurationen und Neubau-
ten vorzunehmen.

Jn Schwaben kommt dazn noch das wahr-
haft Aergerliche, daß bisher, wenn irgendwo in
Folge gesetzlichcr Verpflichtung eine katholische
Kirche vom Fiskus. resp. Kameralamt zu bauen
ist, ein Staatsbaumeister Plan und Riß uud Ue-
berschlag dazu entwirft, und nachdem das Fi-
nanzministerium die Sache genehmigt hat, die
Kirche uach seiuem Sinn und Geist ausführt. Daß
hiebei aufeinen christlichen Kunstverein irgend eine
Beziehuug genommen oder auf den reclamirenden
Pfarrer gehört worden wäre, darüber fehlt noch
die Erfahrung: so darf es denn nicht auffallen,
daß nicht selten der Platz für Beichtstühle, Tauf-
brunnen förmlich vergessen war, bis man die
Stühle eingesetzt hatte. Jch kenne die solcherge-
stalt in meiner Nähe gebauten Kirchen, auf die je
30—40,000 fl. verwendet, die nach Außen in
Quadern aufgeführt worden, die wahrellngeheuer
eines katholisch seyu solleuden Kirchenbaustyls sind.
Das heißt aufJahrhunderte f?) hinein theures Geld
verschwendet. Wann wird diesem Uebelstand ab-
geholfen werden?

Anm. Der Herr Korrespondent sieht die Sache
mit zu günstigen Augen an. Es ist nicht alles
Gvld, was glänzt, und wenn den Kirchen des
wurttembergischen Finauzkammerstyls viel abgeht,
sv ist der Mangel eines mvnumentalen Typus doch
gewiß obenan zu zählen. D. Red.
 
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