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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 6.1859

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11. Heft
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Zur Reform der Kirchenmusik
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https://doi.org/10.11588/diglit.18469#0078

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MrckenZckmuck.

Fur Nchrm der Kirchenmust.

Verschiedene politische und belletristische
Blätter haben sich veranlaßt gefnnden, die
süngst erlassenen Verordnungen des Hrn. Car-
dinals und Erzbischofs v. Ra uscher zu Wien
bezüglich der ALstellung der Jnstrumental-
musik in der Kirche ihrer Kritik zu unterbrei-
ren und dieselben als eine Beeinträchtigung der
heiligen Musik darzustellen. Es sind uns diese
Verordnungen nur aus den Recensionen, die
sie erfahren haben, bekannt geworden; aber
gleichwohl begrüßen wir sie als etnen erfreu-
lichen Fortschritt für die Reform der heiligen
Musik und nehmen davon Veranlassung einige
Gedanken über die Schäden unserer Kirchen-
musik resp. unseres Kirchengesanges auszu-
sprechen, wobei wir jedoch bemerken, daß wir
den Volksgesang von unserer Besprechung
ansgeschlossen wissen wollen, weil wir für
ihn das Prädikat eines Kunstgesanges nicht
in Anspruch nehmen.

Wtr besprechen hier eine praktische Frage,
und meinen dieselbe am besten würdigen zu
können, wenn wir uns zuerst ein recht con-
cretes Bild von derKirchenmusik, wie ste nun
einmal getrieben wird, entwerfen. Wir wäh-
len dazu ein sogenanntes musikalisches Amt,
wie man einem solchen in inn Kirchen der mei-
sten größern Städte fast an jedem Sonn- und
Feiertage beiwohnen kann.

Oft machen gewisse Tagesblätter darauf
aufmerksam, daß diese oder jene Messe eines
gewissen Komponisten, dann und wann zur
Ausführung komme, und treten wir am ver-
heißenen Tage in die Kirche, so finden wir,
daß jene Anzetgen auch Ersolg gehabt. Be-
obachten wir nun ausdem Verhalten derHer-
beigecilten die Wirkung jener Musik und be-
urtheilen daraus ihren Werth. Lx wuetibns
oorum ooAnosoetüs S08. („aus den Fruchten
werdet ihr sie erkennen")- Die große, ja un-

getheilte Aufmerksamkeit, die sie der Musik
tchenken, läßt uns vermuthen, daß weniger
das heilige Opfer, dem sie beiwohnen, als die
dasselbe begleitende, oder richtiger. regierende
Musik, sie hergerufen hat. Vielleicht würde
ihnen sonst eine gelesene Messe genügen, aber
das mustkalische Amt mit seinem Pauken- und
irrompetenschall, mit seinem Geigen- und
Baßlärm, benimmt ihnen die Langeweile,
wenn selbst die Absingung der Gloria 20 Mt-
nuten und des Orollo eine halbe Stunde dauert
und dabei noch so oft die Tonarten gewechselt
werden. Nur, wenn die Leviten die Epistel
und das Evangelium singen, oder der Eele-
brans intonirt, da scheint's ihnen etwas
lang zu fallen. Statt des Gebetbuches ist ein
kleiner Operngucker oder ein Augenzwicker
mit zur Kirche genommen, und wenn etwa eine
beliebte Sängerin eine Solopartie ausführt,
wird dem Altare kühn der Rücken gewendet
und fleißiger Gebrauch davon gemacht; denn das
Auge will auch seine Befriedigung. Man hört
endlich mit mnsterhafter Geduld das unend-
liche Male wiederkehrende llona, nodw xaoom
und verläßt dann die Kirche. Tags d-arauf
ist viel Redens von dieser oder jener ausge-
zeichneten Sängerin und wird derselben viel-
leicht gar in einem Tagesblatte der verdiente
Weihrauch gestreut.

Das sind in der That einige wenige Züge
von einem solchen mustkalischen Amte. Wer
sollte glauben, wenn man die Sache bei Lichte
betrachtet, daß die Kirchenmusik zu solchen
Ertremen habe ausarten können? Aber so
weit haben Viele sich bereits verirrt, daß sie
solches Unwesen in der Kirche schön, passend,
geziemend finden. Was ist denn die Aufgabe,
der Zweck der kirchlichen Musik? Warum hat
die Kirche die Musik in ihren Dienst genom-
men und ausgebildet? Sie soll das Gemürh
erbauen, läutern und erheben, sie soll dem

Kirchenschmuck. 18S9. XI,

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