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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 6.1908

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Heft 1
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4705#0059

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CHRONIK

Im Anschluss an den Aufsatz über Rodin wird eine
Beschreibung der „Tour du Travail" willkommen sein,
die Rainer Maria Rilke nach dem Gipsmodell im Musee
Rodin in Meudon giebt:

„Auf einem viereckigen, ziemlich geräumigen Unter-
bau erhebt sich ein runder Turm. Seine offenen Arkaden
lassen einen Moment an den pisaner Campanile denken;
aber die Bogen stehen hier nicht, zu Stockwerken ge-
ordnet, übereinander; sie winden sich als spiraliges Band
nach oben, wo der Gürtel eines plastischen Gesimses sie
zusammenhält. Den Abschluss des Ganzen bildet eine
Gruppe von zwei geflügelten Figuren, die auf der vom
Gesimse eingeschlossenen Plattform aufruhen.

Der Unterbau wird einen fensterlosen viereckigen
Saal enthalten, eine Art Krypta, aus deren Wanden, in
Bas-Relief, Darstellungen unterirdischer und unter-
seeischer Arbeiten, Bergleute und Taucher, bei elektri-
scher Beleuchtung hervortreten sollen. Vor dem etwas
zurückliegenden Eingang zu diesem Raum stehen zu
beiden Seiten, das Untergeschoss überragend, dieStatuen
des Tages und der Nacht, architektonisch in die Treppen-
anlage eingefügt, die den Aufgang zur Terrasse des
Unrerbaus vermittelt. Von da aus betritt man den Turm.

Er besteht aus einer massigen Säule, an welcher, in sanf-
tem Aufstieg die Wendeltreppe entlangführt, die nach
aussen von den Arkaden eingeschlossen ist. Durch diese
fällt reichliches Licht auf die gegenüberliegenden Re-
liefs, die, die Oberfläche der Säule belebend, die Treppe
auf ihrem ganzen Wege begleiten. Handwerk aus Hand-
werk entrollt sich hier, Zimmerleute, Maurer, Schmiede—,
Gewerbe aus Gewerbe, wie von einer einzigen riesigen
Bewegung hingerissen und hinauf. Das Band, das die
Spirale schliesslich an ihrem Ende von aussen zusammen-
nimmt, trägt die Bilder des Tierkreises, die wiederholen
sollen, was schon die Statuen des Tages und der Nacht
am Fusse des Denkmals andeuten: dass alles Das un-
unterbrochen am Werke ist und im Steigen, auf die
Genien zu, die sich aus den Himmeln segnend nieder-
lassen, von der Fülle der winkenden Kräfte wie von
einem Anruf angezogen.

Unten am Turme sind noch zwei Steinreliefs, wie
Grabtafeln, eingemauert, die an Herakles und Hephai's-
tos erinnern, die heroischen Ahnherrn menschlicher
Arbeit.

Die andern dargestellten Figuren tragen die Kleidung
unserer Zeit; der Stil des Bauwerkes, im Ganzen und

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