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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 6.1908

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Heft 8
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4705#0359

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CHRONIK

Unter den üblichen Aprilscherzen der Tageszeitun-
gen befand sich in diesem Jahr auch eine im ernsthaften
Ton gegebene Mitteilung von der Entdeckung eines
Meisterwerkes von Rembrandt. Dem Leser wurde der
Wunsch erweckt, solche Mystifikationen möchten in Zu-
kunft ein Vorrecht des ersten April bleiben, denn grö-
bere Täuschungen werden uns während des ganzen
Jahres als bitterer Ernst vorgesetzt. Man braucht nur
an die famosen „Tizians" zu denken, die neulich in
München ausgegraben und mit Augurentiefsinn als echt
proklamiert worden sind; an die allwöchentlichen Blätter-
meldungen von zufällig entdeckten Gainsboroughs oder
Raffaels, von denen man niemals dann wieder hört;
an die lächerlichen Auktionen, wo man Meisterwerke
von Terborch, Rubens und Hobbema für dreihundert
Reichsmark kauft. Solche Scherze sind schuld, dass
man über jene Rembrandtnotiz gleichgültig hinweg-
las, wie über den Bericht eines Dachstuhlbrandes.
Sind auch schuld, dass man jetzt misstrauisch einer
besser verbürgten Nachricht gegenübersteht. Denn in-
zwischen soll nun ein wirklich und wahrhaftig echter
Rembrandt entdeckt worden sein. Die Thatsachen sind
folgende: ein im wesentlichen übermaltes Männer-
porträt ist in London als „Rembrandt" für 5000 Mk.
versteigert worden. Humphrey Ward, der Kunstbericht-
erstatter der Times, kaufte es und schickte es an Prof.

Hauser, dem Restaurator. Unter der Übermalung kam
ein Bild im späten Rembrandtstil zum Vorschein. Bode
soll es als anerkannt und Geheimrat Koppel es gekauft
haben.

Über Hugo von Tschudi schrieb der „Figaro" am
4. April folgende bemerkenswerten Sätze:

„Der unerwartete Urlaub, den Herr von Tschudi
mitten aus seiner glanzvollen Thätigkeit heraus, plötz-
lich nimmt, erregt das höchste Erstaunen und es ver-
anlasst uns seine Thätigkeit zu beleuchten. Vor allem
muss man betonen, welche ungeheuren Verdienste Herr
von Tschudi sich um die deutsche Kunst erworben hat,
die durch schlechte Anordnung und Unvollständigkeit
vor ihm in der Nationalgalerie einen ausserordentlich
ungünstigen Eindruck machte, während sie sich jetzt in
ihrer Vielseitigkeit, ihrer Solidität und ihrem ganzen
Glanz präsentiert. Durch vorzügliche Anordnung ge-
winnen auch unmoderne Bilder unser Interesse und
ihm gebührt der Dank, wenn Leute wie Böcklin, Menzel,
Marees, Friedrich, der prachtvolle Leibl, und der aus-
gezeichnete Blechen, so gut vertreten sind.

Als Tschudi nun die ältere Kunst und deutsche Kunst
überhaupt so gepflegt hatte, unternahm er Reisen nach

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