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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 6.1908

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Heft 4
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4705#0185

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CHRONIK

Julius Lessing verlässt die Berliner Kunstgewerbe-
sammlung, die ihm das Beste ihrer Bedeutung verdankt.
Man fordert heute von Galerieleitern in mancher Be-
ziehung andere Anschauungen als die, die Lessing so
thatkräftig und erfolgreich dreissig Jahre vertreten hat.
Es wird mit Recht eine unmittelbarere Beziehung von
Museum und Leben verlangt. Doch darf man nicht
vergessen, dass diese Forderung erst entstehen konnte,
nachdem die mühevolle Atbeit des Zusammentragens
im wesentlichen beendet worden ist. Lessing war ein
glänzender Sammler, ausserordentlicher Kenner und be-
rühmter Einkaufer. Seine Energie des Erwerbens hat
das Berliner Museum zu einer der wichtigsten kunst-
gewerblichen Sammlungen Deutschlands gemacht, trotz-
dem mit einem kaum nennenswerten Bestand vor 30
Jahren begonnen wurde und trotzdem eine alte Berliner
Stadtkultur den Organisator nicht mit reichem Material
unterstützen konnte. Sein Nachfolger und einstiger
Assistent, Otto von Falke, übernimmt nun ein Erbe, das
den Namen Lessings historisch machen wird. Wenn
er selbst einen ebenso wohlbegründeten Ruhm einst
hinterlassen will, muss er Lessing nacheifern in der
Selbständigkeit und neuen Zielen zustreben. Das Ver-

trauen wird er sich nicht mühsam zu erwerben haben,
denn es kommt ihm schon entgegen.

*
Irgendwo in Deutschland, ich glaube in Dresden,
soll es einen Sonderling geben, der es sich zur Lebens-
aufgabe macht, in einem Privatmuseum besonders häss-
liche, abgeschmackte und scheusäligeFabrikate der freien
und angewandten Kunst unserer Tage zu vereinigen,
um so der Nachwelt, wie in einem konzentrierenden
Spiegel, ein Bild unserer Unkultur zu erhalten. Es sollen
dort, neben dem bekannten Mops, in dessen Leibe sich
eine Uhr befindet und dessen Schwanz als Pendel hin
und herwedelt und neben den Malereien Hermiones
von Preuschen, sämtliche neudeutsche Postwertzeichen
und Geldmünzen zu sehen sein. Jetzt kann dieser wun-
derliche Pädagoge seiner Sammlung ein neues Monstrum
hinzufügen: den neuen Zehn-Markschein. Und ihm eine
Ehrenstelle einräumen. Schauerlicher und stümper-
hafter kann nichts mehr sein. Es spottet einfach aller
Beschreibung. Mit diesem Wertpapier ist der Gipfel
offizieller künstlerischer Geschmacklosigkeit nun glück-
lich erreicht. Und das ist auch ein Trost.

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