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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 6.1908

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Heft 5
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4705#0230

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lieh ein ehrliches und gutes Wort: „Als ich noch Maler
war", so ungefähr lautete es, ,,und den vielen über-
flüssigen Bildern ein paar neue hinzufügte, kam ich mir
immer wie ein Tagedieb vor; jetzt aber, in einer „un-
persönlichen' Arbeit, fühle ich, dass ich nützlich bin,
weil ich praktisch helfe, dem Unechten etwas einfach
Vernünftiges entgegenzusetzen." Man kann nicht be-
scheidener und selbstbewusster sprechen.

*

Als Sechsundsiebenzigjähriger ist Wilhelm Busch ge-
storben. Ein Künstler, der als Persönlichkeit, Dichter und
Maler lange noch merkwürdig bleiben wird. Merkwürdig
durch Das, was er seinerNation hinterlässtundauch durch
Das, was er ihr nicht gegeben hat. Fassen wir ihn beim
Scheiden nochmals ins Auge, so steht er vor uns als
eines der grössten deutschen Zeichnertalente des neun-
zehnten Jahrhunderts, das als Lebensleistung aber
nur ein Dutzend genialischer Gelegenheitsschnurren
hinrerlässt. In diesem Doppelkünstler, der das Leben
mit wahrhaft diogenesartiger Faulheit hingelebt hat,
steckte etwas von einem Daumier; in seinen Gro-
tesken ist hier und da das dämonisch Grosse und eine
dekorative Stilkraft nicht geringer Art. Unter den
tollen Scherzen spürt man die Dämonen einer höheren
Kunstgewalt.

In allen Blättern werden jetzt die heiteren Weis-
heitssprüche wieder zitiert. Wer sich aber auch bemüht,
das Tragische in Busch zu sehen, der denke an den Vers,
den der Fünfundsiebenzigjährige schrieb:

„Nur eins erschien mir oftmals recht verdriesslich:
Besah icli was genau, so fand ich schliesslich,
Dass hinter jedem Dinge höchst verschmitzt
Im Dunkel erst das wahre Leben sitzt.
Allein wozu das peinliche Gegrübel?
Was sichtbar bleibt, ist immerhin nicht übel."
An die Ergründung und Bewältigung dieses im
Dunkel hockenden „wahren Lebens" hat Busch, der
Stoiker und Epikuräer, sich nie recht herangewagt.

Die natürlichen Gaben dieses Mannes waren ausser-
ordentlich. Die Grazie seiner Bilderschrift war oft gross;
es war viel Geschmack in ihm und mit dem Reiz des orna-
mental Handschriftlichen verband ein reich associ-
ierender und im Moment resümierender Geist einen
beduetenten Sinn für das Charakteristische. Zuweilen
flackert in der spasshaften Karikatur die Wirkung des
ernst Grotesken, des Monumentalen auf; die patho-
logische Deformation geht auf in höheren Raumwerten.
Wie Lessing von der Laokoongruppe eine ganze
Ästhetik abstrahierte, so könnte man vor Wilhelm
Buschens illustiierten Versen und poetisch glossierten
Zeichnungen viele Kunstgedanken allgemeiner Art ent-
wickeln. Solche Fragen, zum Beispiel, tauchen auf: wie-
weit haben Maler und Dichter sich gefördert und wieweit
gehindert? ist die zeichnende Kunst, ohne Hülfe der
Poesie überhaupt des „Humors" fähig? Warum wird die

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JEAN FRANCOIS MILLET

Karikatur um so monumentaler und ernster je künstle-
rischer sie ist? Und warum hatte ein Talent, das schein-
bar mühelos so Harmonisches ausgeschüttet hat, in
höheren Sinne keine Entwickelung?

Es ist nützlich, solchen Fragen nachzudenken; um-
somehr, als der Genuss an dieser so harmlos sich dar-
bietenden Schnurrenkunst dadurch nicht beeinträchtigt
wird. Auch nicht gestört werden soll. Denn mit
Wilhelm Busch ist ein Künstler zu Grabe getragen
worden, dessen Werke sich lachend einen Platz in der
Geschichte schon erobert haben, den sie lange noch be-
haupten werden.

Aus den immerallzubunten Ausstellungen bei Schulte
geht man selten doch ganz ohne inneren Gewinn davon.
Es kommt zwar nie zu einem geschlossenen Ausstel-
lungsstil; aber in der Masse findet selbst der Anspruchs-
volle immer doch Einzelheiten, die zu fesseln vermögen.
Nachdem im Dezember ziemlich planlos zusammenge-
brachte französische und deutsche Bilder lehrreiche Ver-
gleiche ermöglicht hatten — man sah, neben Bildern
von E. R. Weiss, Leo Putz, Christian Rohlfs, Curt Herr-
mann und Zeichnungen von dem talentvollen, in Paris
lebenden Grossmann, Werke von Maurice Denis, Gauguin,
Roussel, Lautrec, Valloton, Vuillard und einigen jungen
Franzosen —, erweckt jetzt die Ausstellung der Diez-
schule besonderes Interesse.

Man denkt ein wenig an die Coutureschule. Nur
muss man sich alle Grössenverhältnisse ins münchnerisch
Deutsche übersetzen. Diez muss eine entschiedene
Lehrerbegabung gewesen sein. Es war.en in ihm gleich-
massig Elemente von Leibl und Lenbach; es waren in
seinem Talent schlichter Wahrheitssinn und Lust am
Theatralischen. Und Beides hat sich seinen Schülern
mitgeteilt. Diez konnte, vermöge dieser Doppelbe-
gabung Naturen wie Trübner, Kühl und StaufFer-Bern
ein gurei' Lehrer werden und Temperamenten wie

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