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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 6.1908

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Heft 7
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Eliasberg, Alexander: Klassizistische Baukunst in Moskau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4705#0298

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Matwej Fjodorowitsch Kasakow, der neben
Baschenow begabteste russische Architekt, hat auch
noch am Justizpalast mitgearbeitet. Sein bestes Werk
ist das herrliche in Louis XVI.-Stil erbaute Rum-
jantzewsche Museum zu Moskau, als dessen Er-
bauer noch vor wenigen Jahren Baschenow galt.
Neuerdings wird ihm auch der Entwurf zum Go-
litzin'schen Krankenhaus zugeschrieben. Er war
der erste, der sich vom strengen Klassizismus los-
zureissen suchte. Schon 1770 versuchte er neue
Wege einzuschlagen; so wurde von ihm das herr-
liche in alt-russischem Stil gehaltene grüne Haus
der Synod-Druckerei zu Moskau erbaut. Er kann
als der erste Romantiker unter den russischen Ar-
chitekten gelten.

Schliesslich ist noch Ossip Iwanowitsch Beau-
vais (ein Russe trotz seines französischen Namens)
zu nennen. Er ist der Erbauer des mächtigen
Triumphthors, das jedem Besucher Moskaus gleich
am Westbahnhof auffüllt, sowie fast aller um
1820—^o in Moskau errichteter öffentlicher
Bauten.

Neben Guarengi, Baschenow, Kasakow und
Beauvais sind nur noch wenige Namen bekannt.
Die Schöpfer vieler schöner Bauwerke können heute
entweder gar nicht, oder nur mit geringer Sicher-
heit festgestellt werden; die meisten sind in Ver-
gessenheit geraten. So sind die Namen der Er-
bauer der hier abgebildeten Gestütsdirektion, des
Gagarin'schen Palais, des „Englischen Klubs" u. s. w.
nicht mehr zu eruieren. Das auch abgebildete Ar-

tamon Matwejew-Denkmal ist 1820 von Elkinsky

erbaut.

Die meisten der hier genannten Bauten sind
noch heute recht gut erhalten, was allerdings we-
niger auf Pietät und Kunstverständnis, als auf einen
gewissen Konservativismus zurückzuführen ist. We-
sentlich ist auch der Umstand, dass in Moskau
meistens an der Peripherie und nur wenig im Zen-
trum gebaut wird. Sehr wenige Bauwerke sind im
Laufe des Jahrhunderts für immer vom Erdboden
verschwunden; von den erhaltenen ist aber nur eine
verhältnismässig geringe Zahl durch Umbauten und
sonstige Vandalismen verunstaltet worden.

In der neuesten Zeit zeigt sich in Russland
mit dem wachsenden Kunstverständnis auch ein
reges Interesse für diese herrlichen Bauwerke. Es
werden sogar Versuche gemacht den klassizistischen
Stil in neuen Bauten anzuwenden und einzelne Ar-
chitekten haben auf diesem Gebiete schon Bedeu-
tendes geleistet. Um die Erforschung der klassi-
zistischen Bauweise in Russland hat sich besonders
der bekannte Landschaftsmaler Igor Grabar verdient
gemacht. Er bereist seit Jahren das ganze Reich,
entdeckt in Landsitzen und Provinzstädten neue
architektonische Wunderwerke, stöbert in Archiven
und hat bereits eine Menge interessanter kunst-
historischer Entdeckungen gemacht.*

* Ihm verdanke ich viele wertvolle Daten und auch die
diesem Aufsatz beigefügten Abbildungen, die für sein dem-
nächst bei Grossmann & Kröbel in Moskau erscheinendes Werk
„Geschichte der russischen Kunst" bestimmt sind.
 
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