Zeichner, nicht Jemand, der durch alles hindurch, den
lebenden Charakter der Dinge spürt. Wie Mars, ganz
ausserhalb des reell Gesehenen, ein Kanon der ordi-
nären französischen Eleganz festgestellt hat, so
schuf du Maurier — ich weiss sehr wohl, wie
weit er über jenem französischen Chic-Lieferanten
stand - sich ein Kanon für moderne englische
Grazie aus gutem Hause. Doch viel weiter ging
er nicht. Er gab ausser der äusseren Anmut seiner
distinguierten Gesellschaft nur noch deren artige Mi-
mik, die so gut auf die schneidig redigierten Unter-
schriften passt. Er zeichnete die Welt, in der solche
Sottisen, wie er sie so gut ersann, gesagt werden
können, aber er schuf nicht eigentlich die eigen-
artigen Menschen, die so eigenartig handeln und
reden müssen, in leibhaftiger Gestalt. Dieser be-
gabte Mann, der auf so geistvolle Art, Woche um
Woche die Narrheiten einer Treibhauskultur nach
verführerischer Einakter-Art an den Pranger ge-
stellt hat, verfügte ohne Kampf und Mühe über
ein Talent, das selbst nur aus behaglicher Kultur
hervorgegangen war. Aber nirgends schlug das
Rasse-Zeichnen durch, das beiKeene jeden Zug be-
herrscht.
Bei Keenes faseriger Rauheit des Strichs, nirgends
eine Spur jenes sauber-karrierten Ausfüllens, dessen
sich du Maurier so unaufhörlich bediente. Seine
in Hauptzügen locker aber energisch angegebenen
Grundpläne schattiert er nachher leicht mit breiten
Kratzern gegen die Richtung der Flächen, je nach-
dem die intime Schwarzweiss-Wirkung es erfordert,
und so erlangen Keenes Interieurs und Strassen-
szenen und Landschaften eine saftige Knappheit
von Ansehen, eine lustig atmende Bewegung. Seine
forsch hingesetzte Linie hat doch von Haus aus
Luft und Licht um sich her und enthält, sozusagen,
das Melodiöse des Lebens. Eine Zeichnung von
Keene ist nicht von einer Hand gemacht, sie scheint
wie von selbst gewachsen. Und es verhält sich mit
seinem Werk wie mit den Bildern des Jan Steen,
worin die grössten Qualitäten von Modellierungs-
vermögen und Technik so sanftgleitend eingeglie-
dert sind, dass es scheint, als habe der Schöpfer dieser
vollkommenen Kunst einfach so vor sich hin ein
frohsinniges Liedchen geflötet.
Und das bleibt dann auch das Hervorragendste
an Keene, dass er bei so viel Sachlichkeit so viel
Blüte, bei so viel Schärfe so wenig Nachdruck, bei
so viel Franchise so feine Reserve, so viel Bewegung
bei so viel Ebenmass, etwas so Selbstverständliches
bei etwas so durch und durch Studiertem, so viel
Freiheit bei so unverkennbarem Durchdringen, und
vor allem bei so schneidiger Ausführlichkeit ein
so meisterliches Zusammenfassen gegeben hat.
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lebenden Charakter der Dinge spürt. Wie Mars, ganz
ausserhalb des reell Gesehenen, ein Kanon der ordi-
nären französischen Eleganz festgestellt hat, so
schuf du Maurier — ich weiss sehr wohl, wie
weit er über jenem französischen Chic-Lieferanten
stand - sich ein Kanon für moderne englische
Grazie aus gutem Hause. Doch viel weiter ging
er nicht. Er gab ausser der äusseren Anmut seiner
distinguierten Gesellschaft nur noch deren artige Mi-
mik, die so gut auf die schneidig redigierten Unter-
schriften passt. Er zeichnete die Welt, in der solche
Sottisen, wie er sie so gut ersann, gesagt werden
können, aber er schuf nicht eigentlich die eigen-
artigen Menschen, die so eigenartig handeln und
reden müssen, in leibhaftiger Gestalt. Dieser be-
gabte Mann, der auf so geistvolle Art, Woche um
Woche die Narrheiten einer Treibhauskultur nach
verführerischer Einakter-Art an den Pranger ge-
stellt hat, verfügte ohne Kampf und Mühe über
ein Talent, das selbst nur aus behaglicher Kultur
hervorgegangen war. Aber nirgends schlug das
Rasse-Zeichnen durch, das beiKeene jeden Zug be-
herrscht.
Bei Keenes faseriger Rauheit des Strichs, nirgends
eine Spur jenes sauber-karrierten Ausfüllens, dessen
sich du Maurier so unaufhörlich bediente. Seine
in Hauptzügen locker aber energisch angegebenen
Grundpläne schattiert er nachher leicht mit breiten
Kratzern gegen die Richtung der Flächen, je nach-
dem die intime Schwarzweiss-Wirkung es erfordert,
und so erlangen Keenes Interieurs und Strassen-
szenen und Landschaften eine saftige Knappheit
von Ansehen, eine lustig atmende Bewegung. Seine
forsch hingesetzte Linie hat doch von Haus aus
Luft und Licht um sich her und enthält, sozusagen,
das Melodiöse des Lebens. Eine Zeichnung von
Keene ist nicht von einer Hand gemacht, sie scheint
wie von selbst gewachsen. Und es verhält sich mit
seinem Werk wie mit den Bildern des Jan Steen,
worin die grössten Qualitäten von Modellierungs-
vermögen und Technik so sanftgleitend eingeglie-
dert sind, dass es scheint, als habe der Schöpfer dieser
vollkommenen Kunst einfach so vor sich hin ein
frohsinniges Liedchen geflötet.
Und das bleibt dann auch das Hervorragendste
an Keene, dass er bei so viel Sachlichkeit so viel
Blüte, bei so viel Schärfe so wenig Nachdruck, bei
so viel Franchise so feine Reserve, so viel Bewegung
bei so viel Ebenmass, etwas so Selbstverständliches
bei etwas so durch und durch Studiertem, so viel
Freiheit bei so unverkennbarem Durchdringen, und
vor allem bei so schneidiger Ausführlichkeit ein
so meisterliches Zusammenfassen gegeben hat.
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