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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 6.1908

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Heft 8
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4705#0363

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J. VON 7.UGEI., SCHWERE ARBEIT

zu benennen wissen, wenn schöne Kunst uns entzückt.
Aber welch hohes Niveau Hält diese Kunst trotzdem!
Welch ernste getreuliche Arbeit steckt darin! Sie ist
zu wertvoll, um nebenhin erledigt zu werden; wir wollen
ihr einmal einen ausführlichen Aufsatz widmen.

Von dem Dresdener W. Rudinoff" sah man in der-
selben Ausstellung Radierungen und Bilder. Sie be-
stätigten nicht, was seit einiger Zeit hier und dort ver-
kündigt wird: dass Rudinoff ein genialer Mensch sei.
Vielleicht ist er ein origineller Mensch. Aber es ist zu
fürchten, dass er auch das nicht als Maler ist.

In ('.aspers Kunstsalon konnte man sich an guten Zeich-
nungen internationaler Meister kurzweilig erfreuen.
Viele rühmlichst bekannte Liebermanns, ein schöner Akt
von Corinth, überraschend feine Originale einiger Illu-
strationen von Slevogt, ein bedeutender Menzel, zwei
starke Zeichnungen von Goghs, und Blätter von
Diaz, Daubigny, Millet u. s. w. Von Werken weniger
Bekannter: Storni von Gravesande mit Meerbildern
und Lanqon mit einem von fern an Barye erinnernden
Löwen. Eine Zeichnung Hogarths und eine mit menzel-
scher Präzision gezeichnete Hand von Hancke, sind
hier reproduziert worden.

Weniger anregend war es bei Amsler und Ruthardt,
wo eine Reihe ungarischer Künstler graphische Arbeiten
zeigten. Sie alle sind im wesentlichen physiognomielos.
Niemals schlecht, doch ohne die Note, die das innere
Erlebnis giebt. Maler von Europens Gnaden. Man sieht
Symbolisten, Virtuosen und Stilisten, denkt an Menzel,
Rembrandt oder Nicolson; aber man fühlt nicht das
Bedürfnis, sich die Namen einzuprägen. Nur Erwin
Raab fällt auf durch einen Esprit, der ihm natürlich zu
sein scheint.

Bei Ludwig Gurlitt begegnete man Bildern von
Breyer, den man sonst in der Victoriastrasse zu linden
gewohnt war. Breyer gehört zu den ernstesten unter
den jüngeren Malern. Es wird ihm offenbar schwer.
Seine Farbe ist nicht immer klar, seine Komposition
nicht schlagend; aber er hat den rühmlichen Ehrgeiz, im
Kleinen ein Meister zu werden und geht seinen Weg

mit grossem Bewusstsein. Ihm ist von ganzem Herzen
Erfolg und Entwickelung zu wünschen. Über Hage-
meister, von dem neue und alte Bilder ausgestellt waren,
soll nächstens einmal besonders gesprochen werden.

Vor einer Kollektion von Arbeiten Melchior Lech-
ters konnte man wieder rätseln, wo in dieser Sakral-
kunst eigentlich die Mystik sitzt. Zieht man das
tüchtige, sauber gotisierende, aber im wesentlichen
schulmässig erlernbare Kunstgewerbliche von diesen
Werken ab, so bleibt eigentlich nichts nach als das leere
Papier. In der Werkstatt eines Kunstglasers würde man
solche Arbeiten modernisierter Rücksrändigkeit schätzen
können; man würde die saubere Akkuratesse und Deko-
rationsfülle dieses übertragenen Präraffaelirentums
loben und sich der Bemühungen um die verschluderte
Technik der Kunstverglasung freuen. Die Stefan George-
Gebärde aber schreckt ein für allemal ab. Wenn Jemand
geschickt den Neugotiker spielt, so ist er noch längst
nicht ein von Maeterlinckscher Stimmung mystisch um-
witterter Visionär. Wäre die Zeirmode anders, so wär's
vielleicht griechisch geworden. Genau wie bei unsern
Kunsrge werbeschülern

Im Kunstsalon von Parti Cassirer sah man einige der
Arbeiten Paul Baums, wovon in diesem Hefte die Rede
ist; sah man neue Landschaften von Ulrich Hübner,
ein paar allzumühsame aber ernst gemeinte Porträts
von Erich Hancke und kräftig nach Ausdruck strebende
Bildnisse von Konrad von Kardorff. Die Arbeiten
brauchen nur erwähnt zu werden, da von diesen Künst-
lern ohnehin bei Gelegenheit der Sezessionsausstellung
die Rede sein wird. Emil Pottner erwies sich wieder
als ein tüchtiger Impressionistenschüler und Leo Klein-
Diepold als Einer, der es werden möchte, um seinen
sehr ungleichen Leistungen ein Fundament zu schaffen.
Das Hauptinteresse konzentrierte sich auf die neuen
Bilder von E. R. Weiss. Die Frage, die man sich seit
Jahren vorlegt, lautet: wird es diesem Stilisten gelingen
ein Psychologe zu werden' Ein Psychologe des Still-
lebens, der Landschaft oder des Menschen — das gilt

II. J. VON ZUOFL, VOR DEM F.INI.ASS

AUSGKST. BEI ED. SCHULTE

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