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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 6.1908

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Heft 12
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den Zeilen dieser Biographie und dieser Aufsätze. Hier
erst lernt man Trübner in seiner bewunderungswürdigen
Künstlerkraft und persönlichen Prägung ganz kennen,
aber auch in seiner Relativität. Und das macht diese
Selbstbekenntnisse zu einem wahrhaft lebendigen Buch.

Otto Grautoff: Auguste Rodin, Velhagen und
Klasings Künstler-Monographien. Band XCIII.

Ein Buch, das zwiespältige Empfindungen erweckt.
Die Arbeit des Autors ist vortrefflich, die des Verlages
recht unerfreulich. Alan hätte die gründliche und doch
nicht schwerfällige Abhandlung über einen Künstler,
dessen Werke nicht für die Menge sind, gern anderswo
gesehen, als innerhalb der an ein breites Journalpubli-
kum sich wendenden Knackfussmonographien. Peinlich
ist oft die Bilderwahl und das Arrangement der Re-
produktionen und nie verlässt Einem beim Lesen die
Empfindung, etwas ästhetisch Wohlfeiles in der Hand
zu haben. Alan mag ermessen, wie störend das gerade
ist, während man sich mit Rodin beschäftigt. Dass
GrautofFs Text trotzdem von der ersten bis zur letzten
Seite fesselt, spricht in sehr entschiedener Weise für ihn.
Nicht um der Bilder nach Rodins Skulpturen willen
wird man diesem Bändchen im Bücherschranke einen
guten Platz geben; man wird es nicht aufbewahren
wegen seiner Qualitäten als Buch an sich; aber man wird
es um des Textes willen in das Fach zu den oft be-
nutzten Büchern stellen. Und beim Nachschlagen wird
man sich j edesmal über Grautoff" wieder freuen und über
Verlegerund Herausgeberimmerwiederärgern. K. S.

Henry van de Velde. Vom neuen Stil. Der
Laienpredigten II. Teil. Leipzig, im Insel-Verlage.

Das Wertvollste an diesem Buche scheint mir die
schöne Vignette von van de Veldes Hand auf dem
Titelblatt, denn eigentlich sind es längst gehörte Dinge,
die der Reformer hier in seiner kräftigen und ein-
fachen Sprache noch einmal verhandelt. Sie sind als
ästhetische Weisheit ebensowenig richtiger geworden
wie als kulturhistorische Analytik und behaupten noch
immer ihre Geltung nur als das Programm eines Künst-
lers, der sein eigenes Werk zu rechtfertigen hat und an
ihm naturgemäss nur Das erklären kann, was allgemein
sichtbar ist und nicht in das Geheimnis des Formgefühls
hinabreicht. Sein temperamentvoller Radikalismus in
der Unterscheidung von modernen und prämodernen
Menschen, die durchaus vernünftig, respektive senti-
mental sein müssen, macht sich der gleichen Willkür
schuldig wie die Behauptung, dass an dem antiken
Tempel nur Logik und Vernunft, nicht auch die Tra-
dition gebaut haben. Und wenn van de Velde im Haupt-
abschnitte dieses Laienkatechismus einen Protest gegen
das Kompromisslertum einlegt, das s. Z. auf der Dres-
dener Kunstgewerbe-Ausstellung zutage trat, so wird
man seine Formulierung etwas schwach hnden, die nur
die Logik feststellt; der Ästhetiker dürfte

Sünden gegen

sich wohl schärfer so ausdrücken, dass dieses Kompromiss-
lertum weder Tradition noch Ideen hatte und keine Form
fand, also aus Impotenz resignierte. Alüller-Kaboth.

W. Worringer, Abstraktion und Einfühlung.
Ein Beitrag zur Stilpsychologie. Neuwied 1907.

Das kleine Buch verdient sehr beachtet zu werden.
Es enthält nichts weniger als ein Programm neuer
Ästhetik. Ich kann an dieser Stelle bei dem besckränk-
ten Raum nur die hauptsächlichsten Gedanken kurz
angeben.

Wir stehen seit langem, in unserer Kunst sowohl
wie in unserer Kunstbetrachtung, unter dem Einflüsse
der griechischen Antike und der Renaissance; es giebt
aber \ ölker und Zeiten, die ein ganz anderes Kunst-
empfinden hatten und dieses in ihren Werken aus-
drückten. Diese fassen wir heute in der Regel als
Leistungen eines mangelhaften Könnens auf, während
es in Wirklichkeit Leistungen eines anders gerichteten
Wollens sind. Worringer nennt jene erste Kunst-
richtung „Naturalismus"; er bezeichnet mit dem Wort
nicht die Darstellung lebensgetreuer Körperlichkeit,
sondern die Annäherung an das Organisch-Lebenswahre,
das Glück des Organisch-Lebendigen. Diesem Kunst-
wollen entspricht die ästhetische Theorie der Einfühlung.
Dem „Naturalismus" stellt W. die „Stilkunst" dann
gegenüber; ihr entspricht theoretisch der Abstraktions-
drang. Als Beispiel für dieses andersgerichtete Kunst-
wollen führt W. vornehmlich die ägyptische Kunst an.
Er stellt die Ansicht auf, dass dieses zweite Kunstwollen
das ursprüngliche gewesen sei.

Als Resultat ergiebt sich: Einfühlungsbedürfnis und
Abstraktionsbedürfnis als die zwei Pole menschlichen
Kunstempfindens ... es sind zwei Gegensätze, die sich
im Prinzip ausschliessen; in Wirklichkeit aber stellt die
Kunstgeschichte eine unauflösliche Auseinandersetzung
beider Tendenzen dar.

Wir haben in den bildenden Künsten sowohl, wie
in der Dichtung den äussersten Punkt des Naturalismus
erreicht; der Pendel wird jetzt nach der andern Seite
schlagen und es ist das Verdienst der Worringerschen
Arbeit, diesen Vorgang historisch-philosophisch erklärt
zu haben. Paul Ernst.

H. Muthesius: Das Englische Haus. Ernst
Wasmuth, Berlin.

In diesem dreibändigen Werk hat der bekannte Vor-
kämpfer für verständige, sachlich schöne Architektur
die Summe ihm wichtiger Entwicklungsjahre gezogen.
Muthesius war der Deutschen Gesandtschaft in London
attachiert, in denjahren gerade, als eine starke Bewegung
in den architektonischen Künsten in England im wesent-
lichen schon beendet war, als diese Bewegung auf den
Kontinent übersprang und, vor allem in Deutschland,
neue Werthe die Fülle schuf. Die Stelle, wohin Ver-
dienst und Zufall den Autor gestellt hatten, war wie

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