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Ausstellungen
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großen Erfolg hat. Ein besonderes Wort verlangt Hans
Meid, der seiner vorjährigen Othello-Folge diesmal einen
Don Juan-Zyklus folgen läßt: eine hinreißende Arbeit,
illustrativ und doch völlig in freier graphischer Anschauung
empfunden, in der graziösen, tändelnden, trillernden, dann
wieder drohenden und umheimlichen Sprache der Einzel-
radierungen wahrhaft eine Ergänzung Mozartscher Musik,
vom Bühneneindruck ausgegangen, aber weit alles Theater-
mögliche übertrumpfend. Als Träger eines großen Namens
aus einer andern Provinz meldet sich der junge Hans
Virchow, ein Enkel des Gelehrten, mit begabten Litho-
graphien. Ein beachtenswertes Talent ist der Magdeburger
Wilhelm Giese, der Berliner Cityleben mit scharfem Auge
erfaßt hat. Großmann, Kubin, Scheurich vertreten die
burleske und geheimnisreiche Phantasterei. Baluschek und
Brandenburg streifen das Gemälde. Baluschek in sechs
farbigen Zeichnungen von Eisenbahn und Industrie, die
ihn von alten Härten abermals mehr befreit zeigen; Branden-
burg in interessanten Gruppen tanzender, hüpfender,
schwebender Mädchengruppen, die das Mühevolle mancher
seiner früheren Phantasien abgestreift haben.
Besonders wertvolle Skulpturen sind dazwischen einge-
streut. Gaul, der das Hirschmodell seines Schöneberger
Parkbrunnens vorstellt, läßt zugleich die erste Serie seiner
neuen Tierradierungen sehen, rechter Bildhauergraphica,
von fester Betonung der formalen Elemente. Lehmbruck
tritt mit drei Werken von seltsamer Schönheit bedeutungs-
voll hervor. Seine Art der groß erfaßten Stilisierung,
seiner sich lösenden und verbindenden Bewegungsdisso-
nanzen, seiner rätselhaften Umformung natürlicher Vor-
bilder, die plötzlich aus der Wirklichkeit zum Symbolhaften
entschweben, ist durch eine Büste, eine Terrakotte und
einem weiblichen Torso gut vertreten. Zwei Frauen,
Tina Haim und Maria Schneider, modellierten entzückende
Kinderbüsten. Höttger ist durch seine aparten Majoliken
doch nicht ganz richtig repräsentiert. Aber neue Männer
treten mit interessanten Werken auf: Gerhard Mareks,
Adolf Nieder, G. W. Bergfeld, Albert Conns (Bückeburg),
Adolf Amberg. Die Entwicklung steht auch hier nicht
still, und immer weiter dehnt sich der Kreis der jungen
Künstler, die nach einem plastischen Ausdruck der zu-
sammenfassenden Form, der neuen dekorativen Flächen-
beherrschung streben. — Es ist eine Wonne, die tausend-
fältige Verschiedenheit dieses salon d'automne am Kur-
fürstendamm auf sich wirken zu lassen. m. o.
Essen. Der Kunstverein eröffnete am 10. November
eine Ausstellung »Interieur und Blumenstück« mit einem
einleitenden Vortrage des Museumsdirektors Gosebruch.
Düsseldorf. Die Sammlung M. von Nemes-Buda-
pest bleibt noch bis Ende Dezember in den Räumen der
Städtischen Kunsthalle ausgestellt. Im großen Oberlicht-
saal des Erdgeschosses fand soeben die große, auch hier
stark beachtete Wanderausstellung von Werken Karl Hage-
meisters-Werder ihr Ende. — Im Jahre 1913 findet im
Kunstpalaste wiederum eine Deutschnationale Kunstaus-
stellung statt.
Eine größere Ausstellung deutscher Graphik wird
in diesem Winter in Amerika veranstaltet werden. Die
Werke zeitgenössischer deutscher Künstler wird die Berliner
Photographische Gesellschaft im kommenden Winter in
ihrem New Yorker Hause vorführen. In dieser Sammlung,
die auch in einigen anderen großen Städten der Vereinigten
Staaten gezeigt werden soll, werden die namhaftesten
graphischen Künstler vertreten sein. Da sie ein gutes
Bild über den Stand neuerer deutscher Graphik geben wird,
die in Nordamerika wenig bekannt ist, steht zu hoffen,
daß sie der deutschen Kunst einen neuen Markt er-
schließen hilft.
Das Kunstgewerbe im Pariser Herbstsalon. Seit
vor zwei Jahren der Präsident des Herbstsalons die Un-
vorsichtigkeit begangen hat, den Münchner Kunsthand-
werkern das ganze Erdgeschoß des Ausstellungspalastes
zur Vorführung ihrer Zimmereinrichtungen einzuräumen,
ist man in Paris noch nicht zur Ruhe gekommen und wird
es auch vermutlich in den nächsten zehn Jahren nicht.
Es sei indessen doch nötig, der durch die Reklame
der Münchener etwas verblendeten Welt die Wahrheit
ordentlich vor Augen zu führen, und dazu wolle man im
Jahriqi5 eine große internationale Kunstgewerbeausstellung
in Paris veranstalten, allwo die Franzosen ihre Überlegen-
heit zeigen würden. Man hat vorläufig den Termin nur
um ein einziges Jahr weiter verschoben. Weitere Aufschübe
sind indessen recht wahrscheinlich, und es ist sogar durchaus
nicht unwahrscheinlich, daß aus dem Aufgeschoben schließ-
lich ein Aufgehoben werde.
Die Lage Frankreichs ist in der Tat sehr schwierig, und
man kann recht wohl verstehen, daß es nicht mit großem
Behagen an diesen internationalen Wettstreit herangeht.
Die stärksten Gründe sprechen dafür, daß eine solche inter-
nationale Kunstgewerbeausstellung keineswegs mit einem
Triumphe des französischen Kunsthandwerks enden, sondern
weit wahrscheinlicher die Niederlage desselben besiegeln
und zugleich das deutsche Kunstgewerbe vor den Augen
der ganzen Welt an die erste Stelle bringen würde.
Erst wenn wir einmal in den Pariser Kunstausstellungen
untrüglichen Anzeichen einer Renaissance des französischen
Kunstgewerbes begegnen, werden wir an die Verwirklichung
dieser internationalen Ausstellung glauben müssen, bis
dahin aber werden wir gut tun, uns eher auf einen weiteren
Aufschub und vielleicht auf das gänzliche Einschlafen der
Idee gefaßt zu machen. Da der Herbstsalon seit jenem
Erscheinen der Münchener das Kunstgewerbe besonders
eifrig pflegt, also daß wir hier am besten sehen können,
wie es mit diesen Bestrebungen in Paris steht, wird ein
aufmerksamer Besuch der heurigen Ausstellung uns schon
einigen Aufschluß über die Wahrscheinlichkeit jener großen
Ausstellung geben können.
Zur nämlichen Zeit, wo sich in England und Deutsch-
land eine Wiederbelebung des Kunstgewerbes zeigte, wurden
auch in Frankreich solche Versuche unternommen, die aber,
wenigstens in Paris, selbst keine dauernden Erfolge hatten.
Nur die Nanziger Kunstgewerbler verstanden es, ihre Neue-
rungen auf soliden Boden zu bringen, in Paris hörten Bing
und die für ihn arbeitenden Künstler bald auf, von sich
reden zu machen und eine nennenswerte Rolle im Kunst-
leben zu spielen. Das kam sicherlich nicht daher, weil
die französischen Künstler weniger Talent oder Arbeitskraft
hätten als die englischen, deutschen und amerikanischen,
sondern die neuen Formen trafen auf einen so starken
Widerstand bei der französischen Bourgeoisie, daß sie sich
nicht durchsetzen konnten. Von neuen Formen will der Fran-
zose nichts wissen, und höchstens ein Künstler oder Schrift-
steller versteigt sich einmal zu der sonderbaren Idee, bei
einem modernen Kunsthandwerker eine moderne Zimmerein-
richtung zu bestellen. In Deutschland sieht man selbst
in kleinen Städten in den Schaufenstern der Möbelhändler
fast nur noch moderne Stücke, in Paris ist das selbst in
den größten Geschäften eine seltene Ausnahme, und in
der Provinz herrschen die erwähnten Meubles de style
ausschließlich.
Eine Ausnahme bildet Nancy, und obschon die Nanziger
das niemals zugeben werden, hat doch höchst wahrscheinlich
der Einfluß der deutschen Nachbarn damit etwas zu tun.
Ausstellungen
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großen Erfolg hat. Ein besonderes Wort verlangt Hans
Meid, der seiner vorjährigen Othello-Folge diesmal einen
Don Juan-Zyklus folgen läßt: eine hinreißende Arbeit,
illustrativ und doch völlig in freier graphischer Anschauung
empfunden, in der graziösen, tändelnden, trillernden, dann
wieder drohenden und umheimlichen Sprache der Einzel-
radierungen wahrhaft eine Ergänzung Mozartscher Musik,
vom Bühneneindruck ausgegangen, aber weit alles Theater-
mögliche übertrumpfend. Als Träger eines großen Namens
aus einer andern Provinz meldet sich der junge Hans
Virchow, ein Enkel des Gelehrten, mit begabten Litho-
graphien. Ein beachtenswertes Talent ist der Magdeburger
Wilhelm Giese, der Berliner Cityleben mit scharfem Auge
erfaßt hat. Großmann, Kubin, Scheurich vertreten die
burleske und geheimnisreiche Phantasterei. Baluschek und
Brandenburg streifen das Gemälde. Baluschek in sechs
farbigen Zeichnungen von Eisenbahn und Industrie, die
ihn von alten Härten abermals mehr befreit zeigen; Branden-
burg in interessanten Gruppen tanzender, hüpfender,
schwebender Mädchengruppen, die das Mühevolle mancher
seiner früheren Phantasien abgestreift haben.
Besonders wertvolle Skulpturen sind dazwischen einge-
streut. Gaul, der das Hirschmodell seines Schöneberger
Parkbrunnens vorstellt, läßt zugleich die erste Serie seiner
neuen Tierradierungen sehen, rechter Bildhauergraphica,
von fester Betonung der formalen Elemente. Lehmbruck
tritt mit drei Werken von seltsamer Schönheit bedeutungs-
voll hervor. Seine Art der groß erfaßten Stilisierung,
seiner sich lösenden und verbindenden Bewegungsdisso-
nanzen, seiner rätselhaften Umformung natürlicher Vor-
bilder, die plötzlich aus der Wirklichkeit zum Symbolhaften
entschweben, ist durch eine Büste, eine Terrakotte und
einem weiblichen Torso gut vertreten. Zwei Frauen,
Tina Haim und Maria Schneider, modellierten entzückende
Kinderbüsten. Höttger ist durch seine aparten Majoliken
doch nicht ganz richtig repräsentiert. Aber neue Männer
treten mit interessanten Werken auf: Gerhard Mareks,
Adolf Nieder, G. W. Bergfeld, Albert Conns (Bückeburg),
Adolf Amberg. Die Entwicklung steht auch hier nicht
still, und immer weiter dehnt sich der Kreis der jungen
Künstler, die nach einem plastischen Ausdruck der zu-
sammenfassenden Form, der neuen dekorativen Flächen-
beherrschung streben. — Es ist eine Wonne, die tausend-
fältige Verschiedenheit dieses salon d'automne am Kur-
fürstendamm auf sich wirken zu lassen. m. o.
Essen. Der Kunstverein eröffnete am 10. November
eine Ausstellung »Interieur und Blumenstück« mit einem
einleitenden Vortrage des Museumsdirektors Gosebruch.
Düsseldorf. Die Sammlung M. von Nemes-Buda-
pest bleibt noch bis Ende Dezember in den Räumen der
Städtischen Kunsthalle ausgestellt. Im großen Oberlicht-
saal des Erdgeschosses fand soeben die große, auch hier
stark beachtete Wanderausstellung von Werken Karl Hage-
meisters-Werder ihr Ende. — Im Jahre 1913 findet im
Kunstpalaste wiederum eine Deutschnationale Kunstaus-
stellung statt.
Eine größere Ausstellung deutscher Graphik wird
in diesem Winter in Amerika veranstaltet werden. Die
Werke zeitgenössischer deutscher Künstler wird die Berliner
Photographische Gesellschaft im kommenden Winter in
ihrem New Yorker Hause vorführen. In dieser Sammlung,
die auch in einigen anderen großen Städten der Vereinigten
Staaten gezeigt werden soll, werden die namhaftesten
graphischen Künstler vertreten sein. Da sie ein gutes
Bild über den Stand neuerer deutscher Graphik geben wird,
die in Nordamerika wenig bekannt ist, steht zu hoffen,
daß sie der deutschen Kunst einen neuen Markt er-
schließen hilft.
Das Kunstgewerbe im Pariser Herbstsalon. Seit
vor zwei Jahren der Präsident des Herbstsalons die Un-
vorsichtigkeit begangen hat, den Münchner Kunsthand-
werkern das ganze Erdgeschoß des Ausstellungspalastes
zur Vorführung ihrer Zimmereinrichtungen einzuräumen,
ist man in Paris noch nicht zur Ruhe gekommen und wird
es auch vermutlich in den nächsten zehn Jahren nicht.
Es sei indessen doch nötig, der durch die Reklame
der Münchener etwas verblendeten Welt die Wahrheit
ordentlich vor Augen zu führen, und dazu wolle man im
Jahriqi5 eine große internationale Kunstgewerbeausstellung
in Paris veranstalten, allwo die Franzosen ihre Überlegen-
heit zeigen würden. Man hat vorläufig den Termin nur
um ein einziges Jahr weiter verschoben. Weitere Aufschübe
sind indessen recht wahrscheinlich, und es ist sogar durchaus
nicht unwahrscheinlich, daß aus dem Aufgeschoben schließ-
lich ein Aufgehoben werde.
Die Lage Frankreichs ist in der Tat sehr schwierig, und
man kann recht wohl verstehen, daß es nicht mit großem
Behagen an diesen internationalen Wettstreit herangeht.
Die stärksten Gründe sprechen dafür, daß eine solche inter-
nationale Kunstgewerbeausstellung keineswegs mit einem
Triumphe des französischen Kunsthandwerks enden, sondern
weit wahrscheinlicher die Niederlage desselben besiegeln
und zugleich das deutsche Kunstgewerbe vor den Augen
der ganzen Welt an die erste Stelle bringen würde.
Erst wenn wir einmal in den Pariser Kunstausstellungen
untrüglichen Anzeichen einer Renaissance des französischen
Kunstgewerbes begegnen, werden wir an die Verwirklichung
dieser internationalen Ausstellung glauben müssen, bis
dahin aber werden wir gut tun, uns eher auf einen weiteren
Aufschub und vielleicht auf das gänzliche Einschlafen der
Idee gefaßt zu machen. Da der Herbstsalon seit jenem
Erscheinen der Münchener das Kunstgewerbe besonders
eifrig pflegt, also daß wir hier am besten sehen können,
wie es mit diesen Bestrebungen in Paris steht, wird ein
aufmerksamer Besuch der heurigen Ausstellung uns schon
einigen Aufschluß über die Wahrscheinlichkeit jener großen
Ausstellung geben können.
Zur nämlichen Zeit, wo sich in England und Deutsch-
land eine Wiederbelebung des Kunstgewerbes zeigte, wurden
auch in Frankreich solche Versuche unternommen, die aber,
wenigstens in Paris, selbst keine dauernden Erfolge hatten.
Nur die Nanziger Kunstgewerbler verstanden es, ihre Neue-
rungen auf soliden Boden zu bringen, in Paris hörten Bing
und die für ihn arbeitenden Künstler bald auf, von sich
reden zu machen und eine nennenswerte Rolle im Kunst-
leben zu spielen. Das kam sicherlich nicht daher, weil
die französischen Künstler weniger Talent oder Arbeitskraft
hätten als die englischen, deutschen und amerikanischen,
sondern die neuen Formen trafen auf einen so starken
Widerstand bei der französischen Bourgeoisie, daß sie sich
nicht durchsetzen konnten. Von neuen Formen will der Fran-
zose nichts wissen, und höchstens ein Künstler oder Schrift-
steller versteigt sich einmal zu der sonderbaren Idee, bei
einem modernen Kunsthandwerker eine moderne Zimmerein-
richtung zu bestellen. In Deutschland sieht man selbst
in kleinen Städten in den Schaufenstern der Möbelhändler
fast nur noch moderne Stücke, in Paris ist das selbst in
den größten Geschäften eine seltene Ausnahme, und in
der Provinz herrschen die erwähnten Meubles de style
ausschließlich.
Eine Ausnahme bildet Nancy, und obschon die Nanziger
das niemals zugeben werden, hat doch höchst wahrscheinlich
der Einfluß der deutschen Nachbarn damit etwas zu tun.