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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

DOI issue:
Heft 7 (Aprilheft 1928)
DOI article:
Michel, Ernst: Die Krise der europäischen Arbeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0027

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bensraum wrederhergestellL, die Energien des Lebens würden in die Arbeit
hmein entbunden werden und diese gesund machen; andrerseits würde auch das
heute entordnete und notwendigerweise willkürliche Arbeikerleben selbsi wieder
einen fesien Halt an dieser Lebensarbeit gewinnen.

Diese Lösungsvorschläge aber seHen voraus, daß den Unternehmern selbsi die Er-
kenntnis aufgeht, daß ihre Führerstellung und ihre Leistungsfähigkeit nur durch
eine soziale Ordnung des Bekriebes, deren Mitträger und Glieder sie sind,
zu retten isi. Die Rektung der Führung, der Verantwortung, des Derkrauens
und der Aukorität — Lebenssrage sür die Produktion — hängk ganz davon
ab, daß der Unternehmer selbst die soziale Schlacht zwischen individualisti>chem,
privatem JDirkschastsmenschen und össentlich-verantivortlicher Regierungsmacht
zugunsten der leHteren durchkämpst. Nur krast dieser Entscheidung vermag
das Unternehmertum dem Masscnbegehren nach Eroberung der wirtschastlichen
Macht wahrhast zu begegnen und eine verhängnisvolle Wirtschastsdemokratie
durch die echke volkspolikische Lösung abzuwenden.

Wenn wir auch überzeugt sind, mit dem Problem der Arbeit das Kernproblem
der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik herausgestellk zu haben, so sind wir
uns auch bewußk, daß mit der Lösung des Arbeitsproblems noch nicht
die kapitalistische Wirkschastsordnung und die „Gesellschaft" überwunden sind.
Zwar ist die Heilung des „Innenraums" der Wirtschaft die erste Aufgabe; es
bleibt aber die gewaltige Llufgabe, die Wirkschaft im ganzen wieder in die
öffentliche Ordnung des Volkslebens verantwortlich cinzubauen.

.Die Katastrophe der europäischcn Wirtschast ist verglichen worden mit der
Katastrophe des modernen Machtstaakes bei Iena und Auerstädt: wie sich
damals der Staat nur durch (Ichaffung des Volksheeres noch retken konnte,
so sei der Zusammenbruch dcr europäischen 22irt;chast nur zu überwinden, wenn
es allen Volkskreisen endlich aufgehe, daß alle noch vorhandenen inneren Kräfte
der Heilung dcr Indusirie dienen müßten; daß es gelte, den eigentümlichen Be°
ruf der Volksglieder bei ihrer Arbeit zu verwirklichen, um die Dämoncn der
Wirtschaftsgcsellschafk zu bannen.

An dao Geistesleben schlechthin erhebk sich hier der Anspruch, daß es von
seiner idealen Höhe und Absonderung — von seiner „Kultur"-Skellung —
wiedcr in dcn Wurzelgrund und Heimatboden der Wirkschaft und Arbeit
hinabsteige und sich dort seine Fragen, seine Denk- und Sprechweisen hole.
Der Wcg dazn ist eine neueArtderVolksbildung,der Erwachsenen-
bildung, die wie sür die Gesundung des Geisieslebens so auch zur Oorbereitung
der volkspolitischen Lösung des Arbeitsproblems unerläßlich isi. In unserm
Volke isi ja hente jcde einzelne Volksgruppe unfähig, das Geiftesleben auch nur
ihres eignen Lebenskreises zu heilen. Nur durch Begcgnung von Volksgenossen
verschiedner Art in der gleichen Not und Gefahr isi das Bildungsproblem über-
haupt fruchtbar zu löscn, können Zellen der Volkschaft sich wieder bildcn. Der
Bolksbildung, soll sie Zukunftsbedcutung haben, ist somit heute die Aufgabe
gestellt, die Überwindung dcr vielfälkigen Zerklüftung unseres Volkes und der
europäischen Bölker einzuleitcn nnd durch die indlvidualisierende Bildung der
3tkeuzeit durchznstoßen zu einer neuen Gemeinschafksbildung, dieaus
^er Welt der Arbeit Aufgabe und Inhalt empfängt.

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