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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

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Heft 8 (Maiheft 1928)
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Eberlein, Kurt Karl: Unser Goya
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Michel, Wilhelm: Deutsche Theaterprobleme der Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0098

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seineii Schlaf beschleichen und sein riesiges Leben umsummen. Der Künstler
isl immer Gulliver, entweder der bei den Riesen oder der bei den Iwergen,
oder vielleicht beide zugleich, je nachdem, ob er bei sich ist oder bei uns.

Deuksche Theaterprobleme der Gegenwart

Von Wilhelm Michel

t^ie solgenden Aussührungen können nur einen AusschniLL geben, wegen der
^^Fülle der Fragepunkte, wegen der Fülle der Erscheinungssormen, unter
denen die Problematik des hentigen Theaters an uns herantritt. Die Frag-
würdigkeit unseres Theaters ist auss Liesste verwurzelL in der allgemeinen Pro-
blemaLik der Zeik. Sie hängL auss engste miL den polikischen, wirLschasklichen,
geisligen und künstlerischen Krisen der GegcnwarL zusammen. Daher läßL schon
die Frage nach ihren Gründen eine große Reihe von verschiedenen AnLworLen zu.
Wie vieles an der Theakerproblemakik läßk sich als Kriegsfolge, als wirLschask-
liche Erscheinung bcLrachken! Wie vieles als Folge des modernen Kapikalismus
oder der relakivistischen Gesamklage der Zeik! Zch sühre das nur an, um die
UnmöglichkeiL cincr nach allen SeiLen erschöpsenden Behandlung darzutun nnd
um mir das RechL aus SubjekLiviLät zu reLLen.

Zweitens ist zu sagen, daß für die vorliegende BeLrachkung nur das gemem-
deuksche Theaker in Frage kommt, unter weikgehender Ausscheidung der Ber-
liner TheaLcrverhälLnisse. Das Theakcr Berlins steht unker den ganz beson-
deren Bedingungen der HaupkstadL und der MillionenstadL. Ein unerschöpf-
liches Publikum, große Kapikalien, enorm viele persönliche Kräske stellen sich
ihm zur Berfügung. Dadurch werden Dinge ermöglichk, die anderswo von
vornherein ausscheiden, darin liegen aber auch EnLartungsmomenke, die anders-
wo nichk gegeben sind. Berlin hat ein eigenes Theakerschicksal, das sich wohl
mit dem Schicksal der deutschen Provinzbühnen in manchen PunkLen berührk,
aber im Ernstsalle eben doch eine völlig gesonderke BeLrachkung verlangk.
Wenn wir nun an die Erscheinungsformen unsercr Theaterproblematik heran-
gehen, so scheink es mir vor alleni nötig, die Theaterkrise einzubauen in dle^
allgemeine Kunstkrise, die seit mehreren Fahren unser geistiges Leben
beherrschk. Zch habe zu diesem Punkte in einem früheren HesLe diescr Zeikschrifk,
und zwar in dem AufsaHe „Die Illusion des Selbstgenügens", cine Neihe von
Aussührungen gcmacht, die hierher gehören. Es war damals zu verweisen auf
die gedrücktc Lage, in der sich seik einigen Iahren die bildende Kunst befindek,
vor allem die Malerei und die Plastik. Der KunstmarkL liegk in einer Weise
darnieder, wie wir alle es in unserem pcrsönlichen Dasein noch nie erlebt haben.
Staak unb Gemeinden LreLen noch hie und da als Käuser aus, aber aus dem
Leben der Einzelmenschen scheint jene Geltung der Kunst, die sonst iiicht nur die
großen Könner, sondern auch viele mi'LLlere Begabungen mik Liebe umfaßte
und erhielk, mit einem Schlage ausgekilgt zu sein. Das ist keine rein wirk-
schafkliche Erscheinung: nichk die Erschwinglichkeit der Kunstwerke hak sich ver-
schoben, sondern das Bcdürsnis nach ihnen, der WerLakzent, den sie tragen. In
der sraglichen ZeiLspanne ist die allgemeine LebenssuchL zweifellos gestiegen; mit
ihr die Austvendungen sür Kleidung und für alle möglichen GüLer moderner
Zivilisation. Wenn es früher guter Ton war, wenigstens so zu Lun, als ob

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