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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

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Heft 9 (Juniheft 1928)
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Seidel, Willy: Exotismus in deutscher Literatur
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Helveticus [Pseud.]: Blick auf die Schweiz
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0186

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uns keine bloße biologische Erscheinung; es war dem Deutslhen Schilliugs,
dem Vorläuser Bengt Bergs, vorbehalten, mit dem Blihlichk zuersi an das
Tier heranzugehen, wo anfangs nur Schießerei herrschte. Die dentsche Seele
wehrt sich eben gegen ein ausgestopftes Okapi und wünscht sich das lebendige;
sie will das Milieu und die Schweßerseele (sei es auch nur die des Tieres);
sie will keine bloße Stasfage oder das Echo eines überflüssigen Flintenschusses.
Sie haßt den amerikanischen Geiß, der im Stabil-Exotischen (etwa im Tro-
pischen) lediglich ein Hindernis sür „Fortschritt" siehk. Wittert doch der
Deutsche, soweit er Künstler, also „Romantiker" iß, all die ungenuhten wunder-
baren SchäHe des „Stabilen" — des „Rückschrittlichen", unter der Walze
des seelenfeindlichen „Fortschritts". Er siehk sie nicht gefördert, sondern nur
verwässert.

Kommt also heran, ihr von KoHe, Körting, Kapherr, Recke-Malleczewen,
Binder-Kriegelstein! Unbewußte Pioniere seid ihr und Herolde des „über-
wundenen Standpunktes"!

Es ist schwer und auch bedenklich, Rückschlüsse aus eigener Theorie aufs
eigene Schassen zu ziehen. Was mir mein Gesühl nahe legte, habe ich vorge-
Lragen. Melleicht habe ich dennoch eine leise Berechtigung, über derlei mich
auszulassen — und ich identifiziere mich mik jenem „Buschhahn", dem Jnseb
besiHer und Don Ouijote der Südsee, Grothusen. Denn er ist mein Ge-
schöpf. Jch habe ihn aus die Beine gestellt. Folglich ist er eine Fiktion. Doch
eine Fiktion mit einer besonderen deutschen Eigenschaft: er ist durchaus
m ö g l i ch.

Darauf, so haben wir gesehen, kommt es allein an. Und weil er so möglich
ist — deshalb, höchstwahrscheinlich, gab es ihn auch.

Blick auf die Schweiz

Bon Helvekicus

^^n dem neuesien Buch des Grasen Keyserling, „Das Spektrum Europas",
^)das mit dem SaH beginnk: „Alle Völker sind natürlich scheußlich", sieht
ein Kapitel über den schweizerischen Charakter, das auch dem nichteidgenös-
sischen Leser durch die humorlose Schärfe seiner Formulierungen ausfallen
wird. Uns Schweizern wird da Häßlichkcit und Geiz, Kleinbürgerei schlimm-
ster Art und dünkelhafte Ahnungslosigkeit gegenüber der geijtigen Weltlage
vorgeworfen und ein nicht eben erfreuliches Horoskop gestellk: wir seien un-
zweideutig dazu besiimmt, das Volk der Gastwirte zu sein und die hiezu vor-
handenen Anlagcn immer augenfälliger aus uns zu entwickeln. Eine Zukunft
der konsequenten Demokratie, wie sie bei uns in ihrer Art vollkommen durch-
gebildet sei, gebe es nicht mehr, jede aus den allgemeinen, nichts wagenden
Durchschnitt (Keyserling nennt ihn „Neukralität" und läßt sich durch dieses
Wort besonders erbosen) gerichtete Existenz bleibe, wie heute mit Sicherheit
zu erkennen sei, inserior und habe vollends dem heutigen Europa nichts zu
bedcuten.

Die Charakteranalyse, deren Gewicht in den vielen sehr farbigen und schlagen-
den Einzelbeobachtungen ruht, hat in der Schweiz eine Reihe von kritischen
Gegenäußerungen hervorgerufen. Zeitungen und Zeitschristen sehten sich zur
 
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