Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

DOI Heft:
Heft 9 (Juniheft 1928)
DOI Artikel:
Eberlein, Kurt Karl: Der Maler als Emerit
DOI Artikel:
Hofmiller, Josef: Die Wieskirche bei Steingaden
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0172

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
nikers nachzubetcn und an der schöpferischen KrafL des Kunsigcistes sür immer
zu verzweifeln. Ilns, denen der Sinn des Lebens eine Aufgabe bleibk, die nichi
im Zeiilichen und Heuiigen zu lösen isi, dic aber ihr göiiliches Bereich schon
hier im Heuie in Symbol und Kunsi erweist, uns, denen die Künsiler zu den
Sehern und Weisen gehören, uns bleibi Trosi und Glaube, Wissen und Ge-
wissen, daß die reinsie Sprache des Menschengeisies nichi sterbcn kann.

Die Wieskrrche bei Gkeingaden

Von Josef Hofmiller

/^l chon ein paarmal haiien wir gehöri, zwischen Ammer und Lech siehe irgend-
^^ wo eine Wallfahriskirche hari am Gebirg, herrlich anzuschauen, aber
umsiändlich zu erreichen, das wahrhafiige Dornröschen im Tann. Doch unsre
Gewährsmänncr kannien sie auch bloß vom Hörensagen, sclber gesehen haite
sie keiner. Jm letzien Kriegssommer nun, wie wir an einem hellen Tag auf
dem Aussichisiurm des Peissenberges siehen und mii freiem 2lug imd dem
Feldsiecher ringsum jeden Fleck absuchen, den wir von frühcr her kannicn,
geraien wir unversehens ins Gespräch mii ein paar von den Fliegerbeobachiern,
die obeu hauscn, einfachen Soldaten, lauier bayrischen und schwäbischen Lands-
leuien. Ein Wori gibi das andere. Zufällig sagt eincr, die Gegend da herum
hciße der Pfasfenwinkel. „Warum?" fragi ein andrer. Wir habens ihncn
erklärt und ein wenig von 2lndechs erzähli, von Diessen und Wessobrunn,
Noiicnbuch und Raisiing, Polling und Skeingadcn; wie schön die Kirchen
sind, aus was für einer Zeii. Da sagi einer, der bis dahin siill gewesen:
„Die allerschönste haben Sie vergessen. Das isi die dori hinicn." „Wo?"
„Sehen Sic deu weißen Tupfen miiien im Wald? Schauen Sie einmal mit
dem Glao hinüber!" „2lber das muß ja eine zicmlich große Kirche sein," sagi
einer, „wie kommi denn so ein Ding muiierseelenallein in die Einöd?" „Das
kann ich nichi sagen," erwidcrte der crste, „aber daß sie die schönsie isi von allen,
das weiß ich." „Versiehst denn du was davon, weil du das sür so gewlß
hinstellsi?" „Wär schon gui, wenn ich das als gelernter Fassadenmaurer nichk
verstünd! Was eine feine Siukkaiur isi und ein Gepfusch, kenn ich Goki sei
Dank auscinander. Das dürfen mir die Herrcn ruhig glauben" (er haite sich
an uns beidc gewandi), „daß die Wies die schönste Kirche ist im Öberland
bis hinüber nach Oitobeurcn. Ich habe selber miigcarbeikei, wie sie resiauriert
worden isi."

IeHL schauien wir sie doppeli begierig an; am liebsien häiten wir sic mii dcm
Glas herübergczogen. Das also war die sagenhasie Wies! Zum crsienmal
sahen wir sie mii eignen 2lugen, wenn auch aus meilenweiier Ferne. „Iehk
darf sie uns nichi mchr auskommcn," sagien wir zueinander, während wir die
schöneu Berghalden hinabstiegen, „wo wir so nah dran sind." Daß der Maurer
sic selbsi gesehen haiie und nichi andcrn Leuten nachredcie, gab den 2lusschlag.
2lbends in Kohlgrub fragken wir nach dem Weg. Die Wiriin war als junges
Mädel ein paarmal drüben gewesen „mii dem Kreuz", die Kellnerin ersi vorigen
Herbsi: Freilich sci sie wunderschön, soviel versiünden sie auch. „Die sollten
Sie sich wirklich anschaucn," sagi cin frcmder Herr am andern Tisch, „der
Maurer hai nämlich recht, sie isi iaisächlich — ich will nichk sagen die schönste,
 
Annotationen