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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

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Heft 9 (Juniheft 1928)
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Hofmiller, Josef: Die Wieskirche bei Steingaden
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Seidel, Willy: Exotismus in deutscher Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0181

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legte Säulen, das könnke nirgends stehn als auf deukschem Bodcn, nirgends
schöner als aus diesem grünen Skück Wicse, umrandek vom dunklen Forsk miL
dem schwermükigen Gebirg dahinker, meilenweik einsam im hügeligen Moor-
und Heideland des bayrischen Lechrains. Nie könnke jich dieser schmucklose
Schrein in dcr schillernden Lagune spiegeln oder im dunkelgrünen Kanal, kalkig
und kahl skünde das weiß verpuHLe Gebäude in der braunen Quaderwärme
eines südlichen PlaHes, Lolpakschig deutsch neben eleganken Pariser Fassaden.
Hier, in dieser skillen süddeuLschen LandschasL, wirkk es wie ein Volkslied, im
Wald gesungen. Was der alke Mann gewollt und gemacht hak, isk nicht
Fassade. Es isk Raum. Ein Innenraum von mozartischer Vollkommenheit.

ExoLismus in deutscher LlLeratur

Von Willy Seidel

^^c on Robinson Crusoe, dem schlichkcn Makrosen, führk eine ziemlich direkke
^^Linie zur „SchaHinsel" Stevcnsons und zum „Goldkäfer" Poes. Es
isk ein Llrbedürsnis des in europäisch begrenzke Exisienzform eingesyannken
Menschen, sich für ein paar farbige Skunden über den grauen Stumpfsinn
der TreLmühle hinwegzutäuschcn und geiskig hemmungslos ein wenig von dcm
zu naschen, was eine ungebundenere Daseinssorm ihm vielleichL bescherk häLte.
Dic Atmosphäre für den ersken Robinson war gegeben. Die gebildeke Welt,
zügellos und doch der selbsk auferlegken Fesseln sich halb bewußk, die ihr das
Lebenszeremoniell des achtzehnken IahrhunderLs auferlegke, begrüßke diesen
neuen Odysseus im BläLLerschurz (so verschieden von seinen früheren Kollegen,
die mit allem Auswand barocken Skils gereisk) mik der halb erschreckken, halb
enLzückken Rkeugierde der Rkausikaa. Diese Prinzessin war zwar diesmal
nichk antik und verließ sich nichk nur auss Gefühl, sondern sie war skark
kritisch, sogar „ausgeklärk"; sie nahm den Dulder hin als piLLoreske Be-
sonderheik und erhob die RLakur mit ihm zum SchlagworL. Auf diese Weise
erklären sich Defoes ungeheure PopulariLäL und die FluL der (Lkachahmungeu.
Zunächsk waren all diese schisfbrüchigen Lebenskünskler nur Bariationen des
Originals, bewirkten aber selbsk noch in ihrer forkschreikenden Verflachung und
Bersalbaderung, daß das MomenL des ExoLischen dauernd als BeskandLeil
dcr LiLerakur anerkannt und gepflegk wurde. Paul und Mrginie spielken in
Weskindicn mikeinander die unschuldigen Scherze von Daphnis und Chloe,
wenn auch gewisscrmaßen mik ein wenig piekiskischer Vorsichk. Seumes
„edler Kanadier" schlug sich mit deutlichcr Absage an alle Verfeinerungen
in die Büsche. Berkuchs Bilderbuch seHLe unzerskörbare Begriffe dcs Frcmd-
artigen in das Hirn der Kinder. Cooper begann seine europäischen Trinmph-
züge, um als leHLer, dünnsker Aufguß viele IahrzehnLe darauf im Vorskel-
lungskreis einer sächsischen Oberlehrerseele, Karl Mays, eine fragwürdige Auf-
erstehung zu feiern. Die HumboldLs rückken die neue Welt näher heran mik
wissenschaftlicher Durchdringung und schufen dadurch den ProLoLyp des „Phi-
losophischen Neisekagebuches", und endlich brachke Chamisso, der Südsee-
fahrer, llrbild des GlobeLroLkers, als leHke verfeinerke Blüke auf dem ver-
zweigken, doch schon ausgelaugken Skamm der Robinsonaden sein „Salas y
Gomez" hervor.
 
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