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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

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Heft 8 (Maiheft 1928)
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Tribüne
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0142

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nen, weil es lvn öenr, Ivas cs symbolisiert, uirgleich »veiter enrfernc ist als die Be-
gebenheiten öer evangelrschen Osfenbarung. —- Dem Historiker Feiler wird das Chri-
stentum zu einem aus der „magischen" Kulturseele (Spengler) geborenen synkrctisii-
schen Produkt der verschiedensten heidnischen und vorchristlichen ITkythen. So sieht
eben der Glaubenslose und Nicht-Christ das Berhältnis immer. Der Christ aber
ergreift gerade umgekehrt im Evangelium die volle und ganze Wahrheit, die leben-
digste Realität und erkennt in jenen angeblich konstitutiven Mythen imvollkommene
Ausstrahlungen und verstümmelte Abbilder der Christustatsache. —

Schließlich möchte ich noch außerhalb dieses Zusammenhanges ganz kurz auf die
im Derlag der Carolusdruckerei erschienene Aufsatzsammlung „Z >v i s ch e n Kirche
u n d Welt" des im Jahre 1926 verstorbenen katholischen Theologen und Juristen
Karl Neundörfer hintveisen. Dem Verfasser ist es vor allem darum zu tun,
den politischen und juristischen Charakter der römischen Kirche zu begründen, für tvel->
chen Ztveck er ein überreiches Material aus beiden Fakultäten mitbringt. Sein
Standpunkt, der ja natürlich mit dem streng kirchlich-katholischen übereinstimmt, fin-
det seinen klarsten Ausdruck in dem Satz: „Die Kirche ist ein Reich in dieser Welt,
aber nicht von dieser Welt." Wer sich über die sogenannte „katholische Aktion"
näher unterrichten tvill, wird in dem Bnch wertvolle Aufklärungen finden.

Umschau

Aphorismeii

Keiner kvmmt weiter als inmitten. Dann
aber ist er überall.

Was heute im Sterben liegt, ist eine
ganze Welt: die Mutter im Weibe.

Es gibt heute in Deutschland eine Art von
lautem Denken, die eccehomosiert und da-
bei um Hilfe ruft.

Heute haben auch die Worte keinen Bu-
sen mehr. Es ist alles dürr geworden.
Eine Auferstehung des Fleischeö wäre der
Sprache sehr wünschenswert.

Wir leben in einer muskulösen Antike, die
sportnackt und rekordmutig ist. Den Man-
gel jeder Jdee ersetzt der Fetischismus der
Zahl. Merkur ist geflügelt, aber er bort
mit dem Fliegerhelm.

Was der Kulissenwechsel für den Mann,
ist der Kostümwechsel für die Fran.

Man hat die Weltgeschichte immer bei
Tag geschrieben. Wenn die Lampe brennt,
war alleS ganz anders.

Alleö steht und wurzelt und wächst. Aber
wir sind abgeschnittene Blumen und wel-
ken schnell.

Das Hohle tvie das Runde, das Nega-
tive wie das Positive, Einatmen und
Auöatmen, Tun und Nichttun stammen
ans derselben Mitte nnd Kraft.

Eö gibk cin großes Wunder, das ist alles
was ist. Denn es ift nnd ist nicht und
hat ein wunderliches Wesen, das sich in
und mit uns verwandelt, uns äfft und
spiegelt und doch in sich beharrt.

Man hat Amerika entdeckt, wer aber
entdeckt die Jnsel des reinen Herzens!

Die Frau ist die Kolonie, mit der Europa
nicht gerechnet hat. Sie wird den Sie-
geszug Asiens beschleunigen.

M!t dem Christentum beginnt der Sieg
deS Orients für immer. Der Stern von
Nazareth ist stärker als die Glühbirne!

Nie war die religiöse Sehnsucht stärker
als heute. Noch im Jazz sucht alles den
unbekannten Gott.

Die Epoche der Psychologie ist vorbei. Sie
ist nur noch ein Hilfsmittel der Erotik und
der Justiz. Der neue Niehsche arbeitet
mit Blutprobe und Periodentafel.

Wir haben keine Philosophen mehr. Die
Wechselfälschungen spielen sich hente im
Geschäftöleben ab.

Am Meeresstrand wirkt eine Fahne wie
ein Kinderhemd am Nordpvl.

Mir will scheinen, daß die Welt täglich
kleiner und flacher wird. Sie wird schließ-
lich nur eine Tanzplatte sein.

Es ist alles eine große Anthropolüqe. Das
Offenbare ist immer apokryph.

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