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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

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Heft 7 (Aprilheft 1928)
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Michel, Wilhelm: Chaoserlebnis und Antike
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0040

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schrieben: Dem unbekannten Gokt. Nun verkündige ich euch denselben, dem
ihr unwissend GoLtesdiensl Luk. . . . Er ist nicht ferne von einem jeglichen
unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir."

Diese Identisikation des Unbekannten mit dem Allernächsten und Allerbekann-
Lesten, gewirkt nicht im Work eines beliebigen Sprechers, sondern gewirkt
aus tiesstcr Notwendigkeit des damaligen Lebens und als real vollzogene Tat-
sache unwiderleglich erwiesen — diese Identisikation ist es, die das enkgegen-
stchende Dnnkel auö der heidnischen Welt hinwegnimmt und damit zugleich die
2lxt an dic TLurzel der alten, großen Kunstsorm legt. Gokt (im neucn
Sinne) und FvM des höchsten, religiösen Ranges können nichk nebencinander
existieren. Wo das Dunkle und Bedrohende als Fülle der Liebe und Weis-
heit „bekannk" ist, gibk es kein Chaos mehr und also auch keine Form als
Lebensverkeidigung, keine im strengen Sinne heroische und klassische Form.
Im Augenblick, da Gott alle Leere, alle Abgründe aussüllt und jede Fremd-
heit vertreibt, verwandelt sich die ganze menschliche Sitiration. Der Held im
athlekischen, der Künstler im cigentlich klassischen Sinne lverden Typen der Ver-
gangenheit. Das heroisch-religiöse Marmorbild, die Form der großen Tragödie
verlieren genau so viel an Boden, als die neue Frömmigkeik wahrhast gewinnk.
Ein Heldenkum und ein Künstlertum anderer Art kommen heraus.

Dies freilich nichk in einem Sinne, der seindselig abschneidet und trennk. Ge-
rade die großen Beränderungen in der Geschichke der Menschheik sind mehr
Betonungs- und Schichtungswandel als endgülkiger Abschied. Die alken Ele-
mente bleiben, aber sie werden neu geordnet. Wie die Iugend in unser Man-
nesalter, so reicht auch viele Vergangenheik in unsere Gegenwart herein. Ist
dic Form von zentralem, religiösem Werk mit dem echten, und zwar deni
herrschenden Heidentum verbunden, so lebk doch „Form überhaupt" unker
uns sork, gebunden an jenen sesten Bestand von Diesseitigkeik, den das
Christentum weder auflösen konnte noch wollke und der erst dann zergehen
wird, wenn das Leben überhaupk von der Erde slieht und mit allem, was
leuchtek, auch die „Sonne Homers" erlischk.

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