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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

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Heft 10 (Juliheft 1928)
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Enckendorff, Marie Luise: Aphorismen
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Michel, Wilhelm: Weltanschauung und Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0258

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Menschen Lun manchmal etwas, das schlechter ist als sie selbst; es ist Gemein-
heit, eben dies breitzutreken und herumzutragen.

Grade die am meisten von Freiheit sprechen, sind diejenigen, die glauben, daß
alles zu erzwingen sei.

Man sieht nur die Fehler des anderen, aber man sieht nicht, wie schmerzlich
sie ihm sind, um so wcniger, je mehr man unter ihnen leidet.

Vorurteilslos um jeden Preis — auch um den Preis jedes einsachen und ge-
sunden seelischen Instinkts.

Wenn man den Menschen immer nur sagt, daß sie gemein sind, so macht
man sie damit nicht edler; wohl aber gemeiner.

2lllc Zornmütigkcit ist nur hilsloses Geschrei — hilslos, machtlos darum nicht
weniger, wenn der Zornige ekwa die Macht hat, den andern umzubringen.

„So sind die Menschen" — damit schlägt man entrüstet aus den Tisch; ja,
ja, so sind wir, es begreife sich jeder nur ein.

Welkanschauung und Kunsi

Von Wilhelm Michel

^H'ehmeu wir das Wort „Weltanschauung" einmal hin, wie es uns der
^ ^ Sprachgebrauch darbietet, mit allen Schlacken, die ihm anhaften, so ist
zu sagen: cs gibt keine Kunst, die nicht weltanschaulich geprägt wäre. Diesen
SaH auszusprechen, dazu bedars es heute keiner Kühnheit mehr, so wenig wie
im Jahre 1880 ein besonderer Muk dazugehörte, das Gegenteil zu verkreten,
indem man den GrundsaH L'art pour l'art verkündigke. Die GemeinpläHe
sind es, wodurch die Zeitcn sich am deuklichsten voneinander abheben; und inso-
sern sind die Gemeinplätze für die historische Betrachtung die wertvollsten,
nämlich ausschlußreichsten BestandLeile der zugehörigen Epoche. Sie stellen am
cindeuLigsteu dcren Physiognomie sest. So ist es also sür uns Heutige ein
GrundsaH, daß keine Kunst sich der weltanschaulichen Geprägtheit entziehen
kann. Za wir glaubeu, daß sich dies gerade an den Werken und Gesinnungen
jener Zeil erweist, die den GrundsaH L'srt pour I'grt, den GrundsaH der Un-
abhängigkeit der Kunst von jeder wcltanschaulichen Bindung am eisrigsten ver-
sochten hak. Gerade hier war die weltanschaulichc Neutralikät nicht gegeben.
Wer einen „Gestalkwandel der Götter" schrcibt, verhält sich anscheinend zu allen
Göttern neutral. 2lber in Wirklichkeit bekämpst er sie alle, er relativierk sie
alle, er nimmt keinen von ihnen ernst, er setzk allem Glauben der Menschheit
eine ncue, seine eigene Religion entgegen. Wcnn hicr das Beispiel Leopold
Zieglcrs herangezogcn wird, so gcschieht cs nicht nm einer entlegenen Gedanken-

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