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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

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Heft 10 (Juliheft 1928)
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Tribüne
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0309

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als darauf, daß sie Behauptungen sind. Der Verkeidiger akzeptiert es, sie tvesentlich
als Behaupkungen nehmen zu sollen, er akzeptiert es, daß er nun logisch auS ihnen
herauöpressen muß, was sich logisch herauSpressen läßt. So verwandeln sich diese
Sätze im Diskutieren und um deS Diskutierens willen in Fremdes für die religiöse
Welt; und in einer fremden Welt geht das Streiten vor sich. Es wird bewiesen: für
und wider das Dasein Gottes; es wird bewiesen: für und wider die Erbsünde und
die Prädestination. Es gibt keinen religiösen Weg von der frommen kindhaften
Erfülltheit eines Herzens zu Beweisen für das Dasein Gottes. Und die Dogmen von
Erbsünde und Prädestination sind religiös lebend und unangreifbar als Ausdruck einer
furchtbaren tragischen Zuständlichkeit, die der Religiöse auch in sich trägt, neben dazu
Widerspruchsvollem und Hoffendem. Die die jansenistifch gerichteten Menfchen
offenbar mit AuSfchließlichkeit in sich tragen. Die Auguftin in sich trug, Calvin;
auch Lucher. Eine Zuständlichkeit, die durch Diskussionen nicht aus der Welt ge-
fchafft wird — in der allein die Jansenisten das Religiöse fühlten, fühlen wollten,
und in der sie die Menfchen sehen wollten. Nur logifch genommen sind jene Sätze
keine religiösen Sätze mehr; als logifche Sätze, in der Diskussion, sind sie aller
„Vernunft" preisgegeben, die gegen sie zu Felde geht. — Es gibt das religiös ge-
wachsene Wort „Allmacht", „Allmächtigkeit" Gottes, in dem die erfchütterte Seele
ihre Unterworfenheit fühlt, ein Zustand deS Gemütes sich ausdrückt und Befruchtung,
Weitung, Erhebung zurückempfängt in der Hingegebenheit an den allmächtigen
Gott. Aber es läßt sich logifch nichts weitcrspinnen aus dem so geborenen Worte.
Jn der Diskussion steht dicS: Allmacht, der Allmächtige da, nicht geboren, im Luft-
losen, ein kahler Begriff: die alleinige Kausalität; aus dem sich nun ganze dogmatifche
Reihen mit ihren Schlußfolgerungen herunterdeduzieren lassen. Allmacht, All-
mächtigkeit — in beiden Fällen dasselbe Wort aus denselben Buchstaben zusammen-
gesetzt, und doch jedesmal ein ganz verfchiedenes Ding.

Man wird sagen können: alle Streitigkeiten über Religionsinhalte sind aus dem
Bereiche Religion herausgegangen, an der sich Beweisen und Widerlegen zerfchlägt.
Dennoch bewirken sie Zerstörungen. Verteidiger und Angreifer zwar bleiben un-
widerlegt, beide haben recht; denn in der Ebene, in der gestritten wird, hat recht
„wer nur eine Zunge hat". Die Zerstörungen liegen darin, daß die Hüter des
glaubenden Zustandes eben durch das Streiten nun das ihre beitragen, diesen der
Einengung und der Verstörung preiszugeben, die Seelen, die ihn selbstverständlich
tragen, zu beirren, ihre Sicherheit anzugreifen. Religion verwirrt sich in der Welt. —
Der aufgeklärte Gegner, der sie verloren hat, bleibt in einer Vermindertheit feines
menfchlichen Umfanges da, eng und zurückgegangen gegen den vollen Umfang des
metaphysifchen Prinzips Menfch, von welchem Schauder und die Hingegebenheit
an die Unergründlichkeiten nicht abgetan werden kann. Er hat kein Wissen von
dieser Vermindertheit, wenigstenS der heutige Bürger nicht, der Nachkömmling
jenes Aufgeklärten; aber sie gibt die unruhige Leere seines Daseins her.

Umschau

Stefan George zum öo.Geburtstag

^jange bevor die unter dem Namen des
^Expressionismus nun historifch werden-
de Geistesbewegung auch den Boden der
Sprache von Grund aus aufzuwühlen be-
gann,um mit neuenAusdrucksmitteln einer
neuen Gesinmmg Genüge zu tun, war Ste-
fanGeorge amWerk,das verkommene und

abgegriffene Deutfch seiner Tage zu seinen
großen Zwecken zu läutern und zu er-
neuen. Die Dersbücher, in denen zum
erften Male wieder ein Sprache erklang,
die das Glatte und das Hergekommene
verachtete und die, auf die genauefte Dek-
kung des Wortes mit dem Gegenftand, den
es meinte, bedacht, sich immer mächtigec
zeigte, das Bedeutende bedeutend und das

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