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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

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Heft 12 (Septemberheft 1928)
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Lose Blätter
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Tribüne
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0460

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zackige Brandlohe brach unversehens von ihren Häuptern steil in die Höhe.
Schrecklich in der einbrechenden Dunkelheit anzusehen, waren sie alle drei zu
roten, heftig verzehrenden Feuerflammen geworden. Sie, Wegweiser und
Propheken, Kämpfer znm Äußersten, gaben die Lasten und Hemmungen, den
WahnwiH der Erde der VernichLung in ihren eigenen Leibern preis.
Jlllgemach wurden die Flammen heller und durchsichLiger. Das Raufchen, das
von den Feuerlohen ausging, hörLe auf; fchmal und hoch, in gleichmäßiger
KlarheiL leuchLend, standen die drei Männer engelgleich da.

,ReLLe dich, jeHL erst sind sie dir ganz gefährlichL ging es der Geckin durch
den verstörten Sinn. Aber anstatk zu fliehen, stürzte sie der LichtherrlichkeiL
entgegcn. Die nahm sie in Gnaden auf, um sie zu verjüngen im UnsichLbareu.

Tribüne

Die gekürzten „BeLrachLungen eines UnpoliLischen"

Von Josef Hofmiller

achdem ich eben an andrer Stelle gegen Nkomme Nissens Verballhornung von

^ ^ „Rembrandt als Erzieher" protestiert habe, fordert mich der Schriftleiter des
Kunstwarts auf, zu dem ähnlich gelagerten Falle Thomas Mann Stellung zu
nehmen. Jch folge der Einladung, um sogleich die grundsätzliche Frage aufzutoer-
fen: Wle toeit reicht das Recht des Urhebers an einem bereitö in Buchform ver-
ösfentlichten Schriftwerk? Hat dieses Recht moralifche Grenzen?

Es ist klar, daß von vornherein unterfchieden werden muß zwifchen einem tendenz-
losen Kunstwerk und einem — ich möchte das Wort „Tendenzwerk" vermeiden —
Thesen-Werk. Aber sogar bei Werken der ersteren Gattung, die aus rein
künstlerifchen Erwägungen heraus verändert worden sind, ist die Nachwelt unbeirrbar
bestrebt, die Urform, wenn auch nicht als allein berechtigt über, so doch gleichberech-
tigt neben die vermeintlich vollkommenere spätere zu stellen.

Hiesem Bestreben der Nachwelt liegt die richtige Erkenntnis zugrunde, daß die Ur-
fassungen immer auffchlußreicher sind, über den Berfasser sowohl als auch über sein
Werk, spontaner, mehr aus einem Guß. Die Nachwelt ift eigensinnig: die Nach-
welt will den Urtext. Es ift ihr dabei gleichgültig, vb es der Verfasser war, der ein
Werk der Dsfentlichkeit wieder entziehen wollte, oder seine Rechtsnachfolger. Umsonst
heizt Keller einen ganzen Winter lang den Ofen nn't den Resten seines „Ur-Hein-
rich". Umsonst spricht er: „Die Hand soll verdorren, die ihn wieder hervorzieht."
Umsonst wird auch der von Annette von Droste und Levin Schücking gemeinsam
verfaßte Roman „Eine dunkle That" von geheimnisvoller Seite aufgekauft, umfonst
der Versuch seincr späteren Veröffentlichung in der „Gartenlaube" von derselben
Seite inhibiert: vom „Ur-Heinrich" gibt es eine ganze Reihe von AuSgaben, und
„Eine dunkle That" ist bei Reclam zu haben. Gewaltsam sekretierte Werke setzen
sich mit elementarer Wucht durch. Berühmtester Fall: „Gedanken und Erinnerungcn"
von BiSmarck. Berüchtigtefter Fall: die Denkfchrift des Fürften Lichnowsky, deren
Durchschläge fchon igiö von Hand zu Hand gingen. (Nebenbei: Warum hat
eigentlich Thomas Mann, nachdem er doch von „Wälsungenblut" einen teuren
Privatdruck hat veranstalten lassen, diese Novelle nicht in seine Gesammelten Werke
aufgenommen? Auch sie kursiert, wie Lichnowskys Denkfchrift, in Durchfchlägen,
die jeder Jnteressent in Schwabing jederzeit auftreiben kann. Die Entstehung dieser
Durchfchläge ift sogar selbst wieder eine Humoreöke. Doch das ist eine andere Ge-
fchichte, wie Kipling sagen würde.)

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