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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

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Heft 12 (Septemberheft 1928)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0459

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Die Geckin warf sich einen oder zwei Schritte zurück. Sie verzehrke mik
chren hochmütigen und doch unsicheren Augen die aufgerichkeke Gefkalk und
warkeke voll Zorn und Verzweiflung. „Aha, du ärgerst dich!" ri'ef sie „Ich
will dir weiter sagen: Hab ich meine Auslage breik und hoch und millionen-
bläkkrig, so ist die Prachk im Finstern verankert. So muß es sein."

Die Fremden hakken sich indes enger zueinander geseHL und sich gegenseitig in
ihrem Vorhaben gestärkt. Der Hohn der Geckin steigerke ihre Sehnsuchk, aus
dem armen Zustand heraus zu ihrem Leben zu kommen; ja, sie gebrauchken den
feindlichen Ansturm für sich zur N!ahrung. Es gelang ihnen, das, was sich
ihnen aufdrängke, zu filkern. Jhre Gestalken verließ das Fadenfcheinige und
Kümmerliche; sie wurden energifcher und bedeukender; ihre Gesichker quollen
auf und erhellken sich, das Lächeln der BesiHfrohen, der Berkrauenden zeigte
sich darauf und belebke und beseelke ihre Körper. Vom Herzen ausgehend, fing
das Lichkelemenk an, sie in Pulsen zu durchdringen; ein Augenblick bedeukeke
Dunkelheit, der nächste Helligkeik. Der Wechsel gefchah zugunsten des Lichks.
Die Dunkelheik fiel wie ein Staubregen von ihnen. Der unsichkbare Vor-
gang der Läuterung, der mik diesem Gefchehen einhcrging, stand wie ein unbe-
kannter labender Dufk um die drei Gestalken.

Die Geckin fchloß die Augen, ihr Herz wurde makk. Als sie wieder auffchauke,
sah sie drei Goldwolken in der Gestalk ruhender Menfchen auf dem Wald-
boden liegen. Ringsherum fchien es feuchk geworden zu sein in einer liebreizen-
den, warmcn Beleuchkung.

„So, so, jetzt wollk ihr nnr zeigen, was ihr könnt!" schrie die Geckin, von
Staunen und Schrecken ergriffen. „Jhr ruhk euch da von eurer Nrederlage
als Abendwolken aus. Rechk fchön anzusehen, aber kann ich euch trauen oder
wollt ihr mich täufchen? Sagk —" sie vergaß alle Vorsichk, sie streckke die
Händc aus und wand und bog sich in dem ambrosifchen Lichk.

Die drei Gestalken wollken wohl nichks anderes, als im Wunderborn dev
Welk als leichke Schöngebilde ruhen. Sie bewegken ihre weißen Locken-
häupker, ein Lächeln glänzke über ihre sich in Gelöstheik dehnenden Glieder.
Der eine oder der andre fchöpfke mik leuchkender Hand von der erhellken Lufk
und krank davon.

Die Geckin aber folkerke dieser Anblick. „Jhr seht so unfchuldig aus," kcuchke
sie, sich mik zurückgestrichenem Kleid und vorgestreckkem Hals nähernd. „Jch
möchke die Hände auf euch legen, der neuen Lust wegen Körper aus lufkigem
Alabaster und Goldnebel anzukasten. Ah, ihr habk Behagen und Säkkigung!
Ihr liegk in der Fülle wie die kleinen Kinder in ihren Wiegen. Darf ich euch
trauen? Sagk zum Beweis, daß ich nichks zu fürchken habe: Lust soll ewig
brennen!"

Sie laufchte erfchreckk, denn sofork erklang es dreistimmig: „Lust soll ewig
brennen!" aber in einem ihr zuwideren Sinne. Was sollke sie mik dieser
reinen, Lriumphierenden Gewalk, die allen Schein zurückstieß?

Sie senkke den Blick, eine Zornesfalte auf der Skirn.

Mik der süßen Ruhe der drei hingelagerken Wolkenmänner war es indes vorbei.
Sie wandcn sich in kauernde Skellungen, in denen sie wieder ihren früheren
Gestalten glichen. Eine neue Arbeit begann in ihren Leibern, die aufzuckende
Feuerflämmchen hier, ein rokglühendes, wallendes Geäder da anzeigke. Eine

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