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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

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Heft 12 (Septemberheft 1928)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0458

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Ein zweiLer sagte: „Wie aber kann der llnbelehrte Liebe haben und der Zügel-
lose Hosfnung?"

Der dritte fragte: „Bist du eine Botin aus dem Dorf? Aber mit dem Werfen
von Kienäpfeln solltest du dich nicht abmühen, so etwas halten wir in unserm
geringsten Zustand allemal aus."

Die Geckin konnte nicht anders, als sich leidenschaftlich darüber freuen, daß
die Fremden zu ihr sprachen. Sie sah sich großäugig um. Sie sah den weißen
Sand an, die weißen Knochen, das Lote Moos, die fahlen Kiefern. Nahm
das alles Anteil daran, daß diese Stimmen erklungen waren?

„Es ist abgefchmackt von euch, hier zu sitzen, wo die Armuk erdrosselt und das
Vergessen in der Leere umgeht!" rief sie, sich ein wenig aus der Sandkaule
hebend. „Wir wollen uns selber finden, dazu mag der Raum günstig sein,"
ließ einer der Fremden seine ahnungsvoll Lastende Stimme hören.

Der zweite sagte: „Mit klein zusammengedrückter Hand wollen wir durch
einen engen Spalt in der dunklen Höhle nach der Klarheit greifen. Da kom-
men wir zu dem, wonach wir verlangen."

Der dritte erklärte froher: „Haben wir nur erst die FingerspiHen eingetaucht,
dann geht es leicht hinein ins Lichtelement."

„Ich weiß es, diese verflixten Vögel, die fchrien: ,Rettet das Ewige, rettet
das EwigeL die nichts wollten, als Unfrieden im Dorfe stiften, sind euve
Abgesandken," warf die Geckin gehässig hinüber. „Was für ein Uusinn
außerdem! Ewiges rekten! Ist das nötig? Was ewig ist, bleibt doch. Hab
ich rechk, ihr Schulmeister?"

Der eine der Fremden richtete sich auf und sagte fest: „Es gibt Nachtewiges und
Tagewiges. Unsre Sorge soll sein, den Tag vor der Macht zu retten."

Die Geckin ärgerte sich. „Hier allerdings könnt ihr einigen Eindruck machen,
wo sozusagen alles aufhört und nur das Widerwärti'ge und Langweilige
bleibt," beharrte sie. „Aber seht mich an und versucht es, euch mit mir zu messen.
Ich weiß es wohl, ihr seid mir nichk gewogen. Ihr trachtet nach meinen kost-
baren Kleidern, ihr wollt meinen Schmuck zu Klumpen fchmelzen. Wenn
ihr nur könnket! Man hat euch im Dorf zahm gemacht." Lachend erhob sie
sich; es war ihr jedoch unmöglich, sich stehend zu erhalten, während die drei
saßen; also seHte sie sich wieder, und es wurmte sie.

„Gott gönnt uns noch diesen Abend. Er gibk uns Freiheik. Wir müssen
vergessen, abwerfen, was hemmt, das richtige Denken erreichcn; durch Aus-
atmen das Dämonifche fortfchasfen, durch Einakmen das Götkliche einziehen.
Das Lichtelemenk ist da. Unsre Werkstätten sollen bereitet werden, es auf-,
zunehmen," so redeten die fchakkenhaften Fremden unkereinander.

In der Geckin tobken lkngeduld und Kampflust. „So, so, ihr müht euch er-
bärmlich ab, das, was euch versagt ist, zu erlangen?" fchrie sie wild und.
fchallend. „Meine Kräfke sind groß, das versichere ich euch. Es ist purer
Wahnsinn, der mich zwingt, in Enkfernung von euch zu bleiben. Was seid
ihr denn? Was könnt ihr denn, ihr kummervollen Hungerleider? Das, was
ich bin und habe, ist wie ein Lriumphierender Sturm, der bis an den Mond
reicht!"

„Kleiner Maßstab, ah, kleiner Maßstab," sagte einer der Fremden und reckte
sich stark auf.

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