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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

DOI Heft:
Heft 9 (Juniheft 1928)
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Hofmiller, Josef: Die Wieskirche bei Steingaden
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0180

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ecken von Langhaus und Chor, das dritte und vierke hinten an den Schmtkecken
von Langhaus und Orgelmuschel. Die vier anderen stellk er je rechts und links
vor die Seitenaltäre. So schasst er zwei Ellipsen, die äußere, wirkliche, der
Wände, und die ideale, innere, der Pseiler. Beide verbindet er quer zur Wand
durch schmale Gurten, rundum unker sich durch weitgespannte Huseisenbögen:
vier davon breiter, der vordere, der rückwärtige, die beiden vor den Llltären;
die vier dazwischen schmäler, so daß immer eine weikere Spannung wechselk
mit einer engeren. Zwischen das vorderste Säulenpaar links stellt er als kolo-
ristischen Trumps in all das weiße Leuchten die Kanzel, rechts eine vergikterke
Laube. Die Säulenpaare haben gemeinsamen schneeweißen Sockel und gemein-
sames schneeweißes Gesims. 2lus den goldenen Kompositenkapitälen wuchtet
riesig das schnecweiße Hauptgesims, von ihm aus schwingt sich golden Bogen
um Bogen. Der llmgang zwischen Säulen und Wand ist kein einfaches
Tonnengewölbe, sondern den acht Bogenspannungen entsprechen acht Decken-
joche, jedes mit eigenem Gemälde. Damit nicht genug: über den schmalen Bögen
zwischen den Säulenpaaren der innern Ellipse und den Pilasterpaaren der
Wandellipse sind die Deckenbögen durch geschweiste ostls cko doouk unterbrochen,
so daß sich fortwährend Durchblicke ergeben von Raumglied zu Raumglied.
2lus den Säulengesimsen wachsen die ZwickelstüHen, die die Decke Lragen,
aber das Deckenbild beginnt nicht gleich überm Gebälk, das reich mit Girlanden
verziert ist, sondern zuerst kommt noch eine Balustrade, eine kecke Vrrbindung
von wirklicher Architektur (vier Chörchen über den Säulenpaaren rechts nnd
links) und Scheinarchitektur, und jeHL legt er erst das Spiegelgewölbe seines
festlichen Himmels drüber.

Im Presbyterium steigert er das Mokiv des Säulenumgangs: er zerlegk ihn
wagrechk, rechts und links je drei niedrigere Rundbögen, im Stockwerk darüber
je drei hufcisenförmige, nochmal so hoch, dazwischen Lettern mit Säulenbrü-
stungen und Gittern. Und wieder durchbricht er die Ouerwände zwischen Säu-
len und Pfeilern, und wieder verbindet er die Bögen zwischen Säule und
Säule, diesmal durch hängend geschweifte Rahmen, so daß sich womöglich
noch schönere Durchblicke bilden als im Haupkraum. Den Hochaltar gliedert
er in Kulissen. Vorderste: rotmarmorne Säulen mit goldenen Kapitälen. Mitt-
lere: dieselben Säulen, verbunden durch den Bogen mit dem Lamm Gotkes.
Dritte: der Rahmen des Alkarbildes, Gold mit weißen Engeln. Hintergrund:
das warmtönige Altarbild selber. Ähnlich, nur schlichter, machk ers mik der
Orgelmuschel. Farben: Langhaus weiß mit Gold. Säulen, Heilige, Orgel-
brüstung, Bögen, Zwickel, Girlande, Plafondbalußrade — alles weiß mit
Gold.

2lch GoLL, wie schreibt sich das so pedantisch und Lot, und ist vom Mcister
gefühlt, geschaut, gebauk, ein Wunderding an Geist und Leichtigkeit! Zmmer
wieder sieht man sie zum erstenmal, die Wies. Sie könnte in Sevilla ßehen
mit ihren fast maurischen Bögen; in Paris mit ihrem Märchen-Nokoko; in
Venedig, und drückte die schwcbcnde Vollkommenheit ihres Iahrhunderts reiner
aus als jeder der dortigen Innenräume. Das Äußere freilich, dieser nüchterne,
dreigegliederte Bau einer deutschen Wallfahrtskirche, ohne 2lnspruch aufPrunk
und Wirkung, ohne alles Bestechende, nichts als geschwungene weiße Mauern
mit geschwungenen Hffnungen, an der Schauseike ein Paar bescheiden vorge-

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