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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

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Heft 10 (Juliheft 1928)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0280

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Gedanken ab, und in sein Sinnen mischken sich Erinnerungen aus jener Zeik,
in der er selbsi als junger Diplomak hier gewesen. Klar kauchke vor ihm die
Gesialk der jehigen Baronin H. aus, die als ganz junges Mädchen eine Be-
deutung in seinem Leben gehabt, über deren Stärke er jeHt sich wundern mnßte.
Wic eilten die Zahre und wie sormten sie den Menschen!...

Graf K-, noch jeHL eine schöne und nun auch durch bcwußte Würde zusammen-
gesaßtc Erschcinung, war damals eines jener glänzendcn Weltkinder, deren
liebenswürdiges Feuer ihnen bei Fraucn wic bei Männern Vergebung aller
Sünden erwirbt. Für ihn galt als erlaubt, was sonst niemandem gestaktet
wurde. Seine Abenteuer entbehrten nicht des Charmes, ofk nicht des Humors.
Außerordcntlich begabt, abcr unbefchäftigt, weil noch zu jung für cine ver-
antwortliche Stellung, vcrwandte er seine Fähigkeiten und Kräfte dazu, sich
das Leben nach scinem Sinne zu gestalten, das hieß: immer mehr Existenzen in
wirbelnder Bewegung um sich kreisen zu machen. Bereiks in Gefahr, sich in
solchem Leben zu erfchöpfen, faßte er cine plöHliche Leidenschaft zu einer ihm
an Geist, Feuer und Schönheit ebenbürtigen jungcn Dame aus schr guter,
aber armer und verbindungsloser Familie. Ältere, äußerlich glänzendere Pläne
beiseite stellend, verhciratcte ihn sein Bater mit dieser fchönen Frau, hostend,
daß es ihr gelingcn würde, ihn zu bändigen. Zwei Zahre hielt er auch aus iu
Liebe und Treue. Da aber seine Frau ihn unveränderlich anbetend liebte,
stumpfte sich seine flammende Begeisterung ab und er überließ sich mit um so
ruhigerem Gewissen einem Bedürfnis nach Abwechslung, als seine Frau, wohl
unterrichtet, ihn weder durch Tränen noch durch Borwürfe zu sich zurückzu-
bringen suchte. Die Gräfin spielte nicht die Bernachlässigte, Huldigungen anderer
Männer nahm sie mit ciner klcinen Nuance von Sarkasmus hin. Ihr Mann
konntc nicht umhin, sie oft ganz außerordentlich zu bewundern und cinen über-
rafchten Blick auf sic zu werfen, wenn ein Wort ihrer biegsam klaren Stimme
ihn traf. Es reizte ihn manchmal, daß sie ihn so gut zu entbehren verstand, wäh-
rend er immer ncuer, immer rafcher wechselnder Anregungen bedurfke.

Um diese Zeit wurde die jüngste Komkesse C. als erwachsen in die Gcsellfchaft
eingeführk. Schon als Kind war sie in den Salons ihres Hauscs gcsehen wor-
den, und Graf K. hatte die dunkle kleine Isabelle oft, wcnn ein fcheuer Blick
des Kindes ihn anlockte, aus irgendciner Ecke hervorgezogen, hatte ihr den Arm
gereicht und sie cinige Miuutcn umhergeführt, wie eine Erwachsene. Sie ließ
dies widcrstrebend gefchehen, wagte nicht, sich loszureißen, wenn er sie neckte,
knist ihn aber heimlich in den Arm, was zu bemerken er ihr nicht den Ge°
fallcn tat. Nach beendetem Rundgang licfcrte er sie bei ihrer Erzieherin wiedcr
ab, rief dann wohl laut genug, daß sie es hören konnte, einer ihrer erwachscnen
Schwestern einc lustige Bcmerkung zu über den selksamen kleinen Kobold Isa,
und vergaß sie, bis er sie das nächste Mal sah. Isa aber haßte ihn und konnte
es doch nicht lassen, ihn mit ben Blicken zu suchen, wcnn sie im Salon cr-
fcheinen mußke. Nachdem sie cinige Zeit verfchwunden gewesen, ohnc daß je-
mand nach ihr gefragk, erfchien sie zur Vermählungsfcier einer ihrer Schwe-
stern, kaum sechzehnjährig, in großer Toilekte in der Gesellfchaft. Mit jenem In-
stinkt, der seine Augen stets ganz sicher dahin lenkte, wo eine besonders rerz-
volle wcibliche Erfcheinung zu sehen war, ficl Graf K.s erster Blick auf Isa-
belle. Er trat langsam auf sie zu, Zug um Zug ihres Gesichtes wiedererken-

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