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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

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Heft 10 (Juliheft 1928)
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Tribüne
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0298

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cherstücke. Mit dem „Hexer", der oolle Häuser und volle Kassen machte, mag es
angefangen haben; immerhin war er ein rasfiniert und tvitzig gemachter Spektakel, die
Schurken waren ganz vortresfliche Schurken, es wurde erpreßt und genötigt, daß es
eine Art hatte, bei osfener Szene verstarb einer mit einem Stockdegen quer durch den
Leib, und auch, die Wahrheit zu sagen, die Beamten der Polizei unterschieden sich noch
ganz wesentlich von den Jnsassen einer Teppen-Bewahranstalt. Aber was dem
folgte, wurde immer unerträglicher. Nicht genug, daß an die Essenz des Hexers zehn-
und zwanzigmal Wasser gegossen wurde und daß immer wieder der Gauner bis dicht
vor den letzten Vorhang für einen Wohltäter und der Detektiv für einen gräulichen
Bluthund gehalten werden mußte und daß es zwischen den aus allen Kulissen her-
vorgesteckten Schießeisen, Fußangeln, Fallmessern bei ständig wechselnder Beleuch-
tung eigentlich doch zum Pfeifenrauchen gemütlich wurde und niemanden nichts ge-
schehen durfte; nicht genug, daß die Polizei sich immer idiotischer ausführte und die
Verbrecher immer liebenswürdigere Einfälle hatten: Wir Deutsche sind nun einmal
das Volk der Dichter und Denker, und so blieb uns die Erfindung des gemütvollen
Berufsverbrechers vorbehalten. Man erinnert sich noch, wag für wahre Herzens-
jungen die Taschendiebe und Straßenräuber im Klettermaxe und ähnlichen Romanen
darstellten; dort waren die eigentlichen Bösewichter in den Kreisen der Wohlgekleide-
ten und mit Messer und Gabel niamerlich Umgehenden zu suchen, während unter
dem verlausten Flausch des Einbrechers ein goldenes Herz pochte. Nicht anders geht
es in den Kriminalstücken deutscher Herkunft zu. Befragt, ob er an der Börse spe-
kuliere, antwortet dort einmal der Einbrecher: nein, wir stehlen direkt, — und das
Premierenpublikum in Lack und Smoking bricht darüber in fröhlichen Beifall aus,
woraus offenbar hervorgeht, daß es nunmehr auch den direkten Diebstahl nicht mehr
für ehrenrührig betrachtet. Nennen wir aber gleich das Stück bei Namen, weil eS
em Musterbeispiel seiner Gattung ist. Es heißt „Einbruch", und die Herren Ralph
Roberts und Arthur Landsberger sind ihrem Gewissen für die Anfertigung und AuS-
lieferung eines so dummen und elenden Schmarrens verantwortlich. Sie nennen
es vorsichtig eine Kriminal-Groteske, aber das Groteske daran ist, daß sie eben doch
etwas ernst nehmen, nämlich jene Seelen-Augenblicke, in denen zwei Halunken ganz
unversehens von Edelmut zu triefen beginnen. Das ergibt Szenen von einer so
erbärmlichen Unwahrhaftigkeit, von einem so unbedenklichen Spekulieren auf die
AhnungSlosigkeit und den Langmut der Zuschauer, daß einem die Schauspieler, die
dergleichen Schmutzarbeiten zu leisten genötigt sind, in der Seele leid tun. Und so
ist es mit allen diesen nach der gleichen Schablone gearbeiteten Machwerken, die sich
so beschämend hoher AufführungSziffern rühmen. Die Absicht der Verfertiger ist ganz
offenbar nichk einmal die, das Publikum auf eine amüsante oder spannende Weise
zu unterhalten, sondern, gleichviel mit welchen Mitteln, auf einen Kassenerfolg zu
arbeiten, das heißt in diesen Fällen, ihm für Dreck sein gutes Geld auS der Tasche zu
heben. Man muß dieses Derfahren mit aller Deutlichkeit unverantwortlich nennen, denn
die Herren Verfertiger sind gescheit genug, um zu wissen, was sie da verüben. Ni-
mand verlangt von einer Burleske oder einer Revue-Farce, daß sie mit der Wahrheit
oder dem Leben irgendetwas zu tun habe, aber wenn sich bei diesen Machwerken unker
einem erborgten Schein von Wahrheit daS Laster mit der Tugend schminkt, und ein
leicht zu rührendes Parkett sich für den geheimen Edelmut der Apachen gewinnen läßt,
so fällt es einem sauer, geduldig und höflich zu bleiben. Die Szene, in der der Gesang-
verein der gewerbsmäßigen Erpresser und Zuhälter das Lied von der Rasenbank am
Elterngrab anstimmt, wird nicht lange mehr ungeschrieben bleiben, und sie darf ihreS
PublikumS gewiß sein.

Denn wirklich sind diesmal die Berfasser und die Theaterdirektoren nicht die allein
Schllldigen. Man kann es den letzteren nicht in jedem Falle verübeln, wenn sie einen
geschwollenen Kassenrapport der geschwollenen Gesinnung oder den geschwollenen Vov-
 
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