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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

DOI Heft:
Heft 11 (Augustheft 1928)
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osenstock-Huessy, Eugen: Volksbildung
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0354

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eigenen, einmaligen Lebens der ersle Inhalt, der diese bisher weltlichen Zeit-
raume zu verchristlichen vermag. Die Welt der Arbeit sucht ihre Heiligung.
Der vortresfliche Schlnnck hat mir vorgehalten, es sei das eine weichliche Hal-
tung gegenüber den Sündern. Das Kreuz sei ein Argernis, nnd die Kirche
lasse sich nicht verhüllen. Wer so denkt, verkennt, daß Kirche und Haus
durch diese noch weiter in die „Welk" hinausgreisende Ordnung der „Volk-
Bildung" nur entlastet werden sollen von Ausgabcn, zu denen sie unge-
eignet sind und an denen sie heut zugrunde gehen. Es handelt sich um eine
Entlastung der Kirchen. Auch die Resormation hak die Kirche im engercn
Sinne entlastek durch das Haus, wie wir gezeigk haben; die Enklastung
ging nur nach einer anderen Richtung und wählte daher andere Formen.
Selbstüberwindung kostet das Eintreten für diesen dritten Flügel innerhalb
der christlichen Zeitordnungen, das gebe ich zu. Aber von dem, den Gotk
durch die Erkenntm's seiner Ossenbarung beglückt, wird immer eine Unbc-
quemlichkeit gefordert, durch die er dieser Gnade danke. Diese Unbeqnem-
lichkcit heißt Mission, zu deuksch wirksame Weitergabe der Frohbokschaft
in den der Zeit entsprechenden Formen. Der Gläubige hat es schwerer als
dcr Ungläubige. Er muß umdenken um seiner Brüder willen.

Ohne diese Selbstüberwindung haben wir nichts zu hoffen. Diesen Karfreikag
des eigenen Glaubens sollte der Begriff der Transsubstantiation dcs Wortes
schon oben bezeichnen. Wer diesem Gcheimnis nachsinnt, daß der Geist der
Gemeinschaft heut vor den der Persönlichkeit tritk, daß der drikte Glaubens-
artikel die pädagogische Führung vor dem zweiten und auf diesen hin über-
m'mmt, dem wird das nichk zuviel gesagk sein. Die Berwandlung des Worts
wird uns dort Sakrament, wo ein geistiger Lieblingsgötze aufgeopferk wird.
Wenn ich an unsere Kanzelsprache denke, ziktcre ich vor der Verantwortung,
die auf den Kanzelrednern liegt. Freilich: die Menschen, die von der heutigcn
Kanzelsprache verwundek werden oder die leer ausgehen, dic pflegen auch nicht
auf den Kirchenbänken zu sihen. So ergibt sich die andere Folgerung: nichk
der Pfarrer ift in erster Linie der gegebene Träger christlicher Bolksbildungs-
arbeit; diese muß ihm von Laien, die im Berufsleben stehen, abgenommen
werden. Gerade diese, vor allem auch Männer der Publizistik, scheinen mir
die gegebenen Träger zu sein. Rkur sie können unbefangen den Zukrikk zu
jenen Geistesmächken der Technik, der Nmturwissenschaft, der Politik, dcs
Kapitalismus, des Skepkizismus findcn, die ihnen aus den Augen der Masse
so riesenstark entgegengrinsen. Alle diese Großmächte des Welkgeistes lachen
der schönsten Seelenpredigk, nur das Beispiel der Mikarbeit und beseeltcr
Zusammenarbeit vernichtet sie. Denn die ist ihnen versagt, weil ihnen die
Sprache der Liebe versagt ist.

Die Welk hat immer für sich die Sprache der Zahlen und das Gesetz dcr
Trägheit. Die frohe Botschafk der Seele beginnt immer mit der Forderung:
Gib ein Stück von Dir, ein Stück Zcit, ein Stück Lebcn, ein Stück Liebe
den Zahlen und der Trägheit zum Trotz. Alle Mission erkennt sich an dieser
Forderung des Trotzdem wieder. Wenn die Volksbildung Zeit, Freizeit
vom Menschen fordert, so treibt sie im natürlichen Borfeld der Kirche Mis-
>ion. Die in den Zndividuen durch den Terminkalender und die Arbeitswoche
zerstörten natürlichen Grundlagen seelischcn Lebens will sie wiederherstellen.

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