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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 41,2.1928

DOI Heft:
Heft 11 (Augustheft 1928)
DOI Artikel:
Eberlein, Kurt Karl: Die Generation: oder der Stein der Weisen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8884#0356

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Maler und Dl'chter seincn Zauber. Der Schrei nach Köpfen, Meistern, Frch-
rern wird wieder laut. Wann konnten Dikkatur und Scheingewalk so offen
gclken? Dies alles spiegelk sich deuklich in jedem geifkigen Bereich. Neue
kheorekische und mekhodifche Bemühnngcn bewegen die Wissenfchafk, vor allem
die Likerakurwissenfchaft, die gleichsam die Versuchsanfkalk der Nachbarwissen-
fchafken ifk. Wundergläubige Theorie stehk der alken historifchen Forfchung
anmaßend gegenüber, um das reiche Kleinleben der Gefchichke in große
Workkäfige zu sperren und das unfaßliche Geifkerleben in ein Begriffswort zu
bannen, ekwa so, wie der Wilde einst abwehrend die Kräfke der Nakur in
ein Zeichen, in einen Skein zu bannen und zu fesseln glaubke. Diese Begriff-
und WorkgöHen stehen nun angebekek verehrk in den Bücherfchränken der
Zauberlehrlinge wie verkrockneke Homunkuli. Ein solcher Homunkulus be-
gegnek uns heuke als Modearkikel in allen gelehrken Wochenfkuben, Redak-
Lionen, Fabriken in arkiger Geftalk eines wisscnfchaftlich anssehenden Schlag-
workes: „Generakion".

Wenn heuke ein Maler, ein Schrifksteller, ein „Prominenker" Erfolg hak,
so gehörk er seiner Gcnerakion. Wenn man sich früher an den Zahlen der
Regimenker, an den Zeichen der Korps und Berbindungen erkannke, so er-
kennt man sich heuke an der Geburkszahl der Generakion. Man muß cin
kypifcher i6...er oder ig...er sein, dann ist alles in Ordnung. Alles erklärk und
beweist die Generakion. Es ist wie im Weinkeller. Nun ist auch der Weg
zur Kunst endlich offen, die Erklärung und Datierung der Kuustwerke leichk.
Die Kunfkform gehörk eben einer Generakion. Da alle gleichalkrigen Künstler
aller Völkcr und Nakionen nach räkselhafker Vorbefkimmung auch gleicharkig
dachken und fchufen, so ist ja alles sehr einfach. So leichk hak sichs der
Wclkenfchöpfcr gemachk: er fchuf am achken Tage die Generakion. Das
Nebencinandcr der Menfchen- und Kunstarken ifk das Nebeneinander der
Generationen. Sage mir, mik welcher Gencrakion du umgehfk — und ich will
dir sagen, wer du bist! Jch lasse dich nichk, du generakionalisierkest mich denn!
Die Generakion ist der Skein der Weisen, von denen Goekhe ahndungsvoll
sagkc: „Wenn sie den Skein der Weisen häkken, der Weise mangelke dcm
Skein."

Die Gefchichke des Begriffes „Generakion" kann und soll hier nichk gegcben
werden. Es ifk ein biologifcher oder ein stakistifcher Begriff, je nachdem, ob
er die Gesamkheik der Lebenden oder das Zeugungszeikmaß bedeukek. Er ist
kein universaler Begrist, weil er nur für zivilisierke monogamifche Kulkur-
völker, nichk für Nakurvölker gelken kann, weil seine Weike und sein Tempo
geologijch, sozial, polikifch bedingk sind, und weil Anfang und Ende einer
Generakion willkürlich gesetzk sind. Heuke verstehk man als Generation die
Lebensdauer Gleichzeikiggeborener für Z6^/z Fahre, das Dasein eines jünge-
ren Gefchlechkes (Söhne) gegen ein älkeres (Väker). Jn der Gefchichks-
forfchung Lrikk der Begriff erst späk und nebensächlich hervor (Ranke), wird
dann der Romankikforfchung der Likerakurgefchichke problemakifch und wird
als Tragweike und Gefahr von dem geiftreichen Dilthey erkannk, der das
2^este und Schärfste gegen die verallgemcinernde Generakionsmekhodc gesagk
hak. Leider vergeblich. Die Gcnerakioncn- oder Jahrhundertlehre des Histo-
rikers Lorenz erwies den ganzen Unwerk dieser Zahlenmagie, und Lorenz ret-
 
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