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Kunstwart und Kulturwart — 28,3.1915

DOI Heft:
Heft 13 (1. Aprilheft 1915)
DOI Artikel:
Kalkschmidt, Eugen: Bismarcks Sprache als Ausdruck
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https://doi.org/10.11588/diglit.14420#0028

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so klingt das fast schon zu rednerisch für ihn. Aber ganz ist er in seinem
Element, wenn er eine rhetorische Floskel des Gegners so drehen kann,
daß sie, mit plötzlicher Sicherheit und Schärfe ausgerüstet, dem Absender
sehr unvermutet und empfindlich wieder zufliegt. Was ihn in allen
diesen Wortgefechten stützt und schnell überlegen macht, ist seine gute
Gabe, sofort im Bilde zu sein, die fremde Vorstellung an der eigenen
Wahrnehmung zu messen, und klare bildliche Anschauung zu geben. Der
abstrakte Begriff, das papierene Schlagwort empfangen Fleisch und Blut,
werden gegenständlich.

Bismarcks Volkstümlichkeit als Redner beruht natürlich auf solchen
belebten Schlagworten und nicht etwa auf seinem Besten. Nicht Reden
und Majoritätsbeschlüsse — „Eisen und Blut" entschieden die großen Fra-
gen der Zeit; „setzen wir Deutschland, sozusagen, in den Sattel! Reiten
wird es schon können/ „Nach Canossa gehen wir nicht!" Die ganze
Angelegenheit ist „die gesunden Knochen eines pommerschen Musketiers"
nicht wert. „Nationale Ehre geht einem Volk wie dem unsern über
alles." Weitere Beispiele findet man alljährlich in den vielen schönen
patriotischen „Begeisterungsreden" und in den Leitartikeln, besonders um
die Zeit von Kaisers Geburtstag und Sedan. Man mag nun diese ge-
flügelten Worte mehr oder minder anfechtbar finden ihrem tatsächlichen
Inhalt nach, einen Situationswert haben sie immer. Es wäre unfrucht-
bar, solche Schlagworte und etwa die schallende Poesie der National-
hymnen einseitig auf ästhetische Ausdruckswerte hin zu beurteilen, weil
sich's bei ihnen doch wesentlich um eine Befeuerung des Willens,
und zwar eines möglichst allgemeinen, eines Willens der breitesten Masse
handelt. Bismarck als der geborene Politiker empfand das sehr genau,
und obwohl er sonst die schneidendsten Worte für das volksfreundliche
Gebaren derer hatte, die nach der kompakten Majorität gierten, so ver-
stand er es doch selber meisterlich, diese Majorität, die nun doch einmal
dazu gehörte, für die von ihm als gut und nötig erachteten Zwecke ein-
zufangen, sei es auch einmal mit größeren Worten, als er sie sonst liebte.
Nnd schließlich bleibt er doch auch hier immer klar und manchmal derb
im Bilde des Wortes.

Man hat ihn ernsthaft belobt, daß er so hübsch zu zitieren verstand.
Da könne man draus ersehen, wie der Krautjunker in den Iahren des
Frankfurter Bundestages seine Bildung aufgebessert habe. Mir meiner-
seits scheint, daß er sich um den Eindruck des Gebildetseins den Teufel
scherte. Er zitiert nicht oft, aber wenn er es tut, sorgt er auch für die
Verarbeitung des Fremdkörpers, auf daß er mit Fug an seinem Platz
stehe. Das ein oder andere Mal zwar gewinnt man auch bei seinen
Zitaten den Eindruck: das hat er vom Buche; das heißt: er hat's ge-
sucht, und ein guter Redner, wie er war, wird solchen Eindruck nicht
aufkommen lassen wollen, denn da ist Schönrednerei im Verzuge. Er
hatte aber viel zu viel Anschauung wirklichen, weniger künstlerisch über-
tragenen Lebens vor Augen, als daß er je jener Zitierkunst hätte ver-
fallen können, die heute so manches Mal das inhaltliche Loch in der
Rede zudekorieren möchte.

Als Schriftsteller wandte sich Bismarck an die Öffentlichkeit mit nur
einem Werke, mit den „Gedanken und Erinnerungen«. Es ist ein Alters-
werk, und was ein gelernter Schriftsteller ist, wird sich kopfschüttelnd
sagen: schade, daß dieser sonst so verdienstreiche alte Ierr den schönen
 
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